Lieblingsalben und Durchschnittsware.
Seit 1990 verfolge ich den Werdegang von Element Of Crime. In der Vorbereitung auf das Bizarre Festival, das damals auf der Freilichtbühne Loreley stattfand und Künstler wie Ramones, The The, Galaxie 500, Ride, Pale Saints oder Phillip Boa & The Voodooclub im Programm hatte, setzte ich mich erstmals mit der Band um Sven Regener auseinander. Damals hatte die Band bereits 4 Alben veröffentlicht, gesungen wurde jedoch auf Englisch. Nur der Song "Der Mann vom Gericht" deutete bereits an, wohin es später gehen sollte.
"Damals hinterm Mond" sollte 1991 nicht nur für Element Of Crime eine Neuausrichtung sein, sondern konnte mir mit seinen romantischen und poetischen Texten auch den Zugang für deutschsprachige Musik ermöglichen. Das Album gehört, zusammen mit "Weißes Papier" (1993) und "Romantik" (2001), weiterhin zu meinen Lieblingsalben. Die Wiederveröffentlichung auf Vinyl in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass diese drei Platten auch in diesem Format den Einzug in meine Sammlung gefunden haben. "Die schönen Rosen" (1996) und "Psycho" (1999) werden sicherlich auch noch folgen.
Leider muss ich jedoch auch sagen, dass die letzten Veröffentlichungen von Element Of Crime, nämlich "Mittelpunkt der Welt" (2005) und "Immer da wo du bist bin ich nie" (2009), im Vergleich zu den zuvor genannten Alben nur höchst mittelmäßig waren.
"Lieblingsfarben und Tiere" setzt diese Tradition fort.
Zwar gefallen mir der Titelsong, in dem Regener den Begriff "Schwachstromsignal-Übertragungsweg" in seinen Text einbaut, und damit sicherlich hoher Favorit als Preisträger für das längste und ungewöhnlichste Wort in einem Pop-Song sein wird (zumindest bis Markus Berges und Erdmöbel im November "Geschenk" veröffentlichen werden), und "Liebe ist kälter als der Tod" (trotz Saxophon-Massaker) ausgesprochen gut, vieles ist dennoch vorhersehbar, stagnierend und ähnlich (und besser) schön gehört. Zwar spielt Regener wieder häufiger Trompete, was vermutlich alle Fans von Element Of Crime begrüßen werden, aber dafür singt er mittlerweile auch teilweise mit kratzender, rauer Stimme, die hier im Vergleich zur instrumentalen Untermalung auch noch zu weit in den Vordergrund gemischt wurde.
Keine fünf Sekunden müsste ‘Am Morgen danach’ laufen und man hätte den Song auch schon ohne den Gesang Regeners als Element-of-Crime-Song indentifiziert. Diese gewohnt warmen Klänge aus dem Norden und auf dem Hocker, der offensivste Romantiker, den die Welt je gesehen hat. Alles wie immer. Der nölige Gesang, der sich immer in den letzten Silben so richtig entfaltet. Lebensweisheiten serviert wie ein kühles Astra. Kompromisslos, zielgenau und so gar nicht kryptisch. Diese teils absurden Reimkonstrukte wie in ‘Lieblingsfarben und Tiere’ sind typisch und in jedem einzelnen Song doch wieder einzigartig.
Eine Platte von Element of Crime ist wie ein Hörbuch mit vielen kleinen Kapiteln. Jede Geschichte mit viel Empathie und Hingabe erzählt. ‘Rette mich (vor mir selber)’ ist zum Beispiel einer dieser Songs, der so schön nachvollziehbar ist. Es ist ein Liebeslied, das so niemand sonst schreiben würde: ‘Heimatlos und viele zu Hause, unterbeschäftigt und viel zu viel zu tun, rette mich vor mir selber, Hauptsache Liebe, Hauptsache Du.’ Das sind die Zeilen, die man sich von so einer Platte erwartet und warum sollte Sven Regener uns enttäuschen?
(bedroomdisco)
Allein der Titelsong: Ein Rhythmus wie für Rollatoren gemacht, eine Gitarre, die im Hintergrund jault wie ein getretener Hund, und Sven Regener singt davon, wie man dem kommunikativen Overkill mit Entschleunigung begegnet: „Denk an Lieblingsfarben und Tiere / Dosenravioli und Buch / und einen Bildschirm mit Goldfisch / das ist für heute genug.“ Ansonsten geht es um Autos, die erst anspringen, wenn man dagegentritt, um ein Wiedersehen im Baumarkt und um Liebe, die kälter ist als der Tod. Wenn dann gar nichts mehr hilft gegen die allumfassende Melancholie, dann setzt auch noch Regeners wimmernde Mariachi-Trompete ein.
Nein, Element Of Crime haben sich nicht neu erfunden. Kein Stück. Müssen sie aber auch nicht. Denn wenn es sie noch nicht gäbe, müsste man sie und ihre hingetupfte Schwergewichtigkeit unbedingt erfinden: Eine Band, die einem die Hand hält, wenn man merkt, dass man nicht jünger wird. Eine Band, die einem die Erbärmlichkeit des alltäglichen Lebens bewusst macht, aber die Lakonie, die einem darüber hinweghilft, gleich mitliefert. Eine Band also, mit der man getrost ins Rentenalter gehen kann: „Ein Trottel, der nicht versteht, dass das immer so weitergeht“, singt Regener. Es ist ein Trost. Nicht mehr, aber doch so viel. Fehlt nur noch ein Song über die Schönheit der Palliativmedizin.
(Musikexpress)
6 Punkte
AntwortenLöschen7.5
AntwortenLöschenDas Meiste von dem, was du schreibst, stimmt ja, aber "Mittelpunkt der Welt" unterschätzt du kolossal.
AntwortenLöschenHier sind es leider für EoC Verhältnisse schwache
7 Punkte
7,5
AntwortenLöschenLeider sind dieses Mal nicht mehr als 6,5 Punkte von mir drin.
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