Wir brauchen hier einfach, um unseren hohen Ansprüchen gerecht zu werden, mehr ambitionierten Artpop und dabei unterstützt uns die norwegische Künstlerin Jenny Hval. Über 4AD Records veröffentlicht sie ihr neuntes Studioalbum, das sie nach dem Parfüm „Iris Silver Mist“ von Maurice Roucel benannt hat.
Ähnlich wie ein Parfümeur kreiert sie ihre Soundscapes mit unterschiedlichsten Stoffen, die in ihrer Wirkung und Intensität im Verlauf der knappen Dreiviertelstunde variieren: Ihr traumhafter, entrückter, kunstvoller und gelegentlich verfremdeter Gesang lässt an Julee Cruise oder Elizabeth Fraser denken, die Texte über Isolation, Erinnerungen oder Dislokation können in Gedichtsform oder als Spoken Word-Passagen vorgetragen werden. Dazu gibt es filmhafte Synthesizer-Sound die durch häufig variierende Instrumentierung (Percussion, elektronische Beats, Streicher, Bleckbläser, Orgel) und Field Recordings (Vogelgezwitscher, Katzenschnurren, Reißverschlüsse) bereichert werden. Gelegentlich stolpert man über eine Art Refrain, stellt fest, dass ein Song nach einem knappen Minütchen schon vorbei oder sich auch über deren sechs hinziehen kann, dass er unmittelbar abbricht, in den nächsten überfließt oder eine unerwartete Wendung nimmt. Zwischen Ambientklängen und Clubsounds vergehen manchmal nur wenige Sekunden.
Ja, Dank Jenny Hval können wir hinter experimentellen Artpop ein Häkchen setzen und stellen fest, dass „Iris Silver Mist“ (black Vinyl, Northern Light Pearl Vinyl) das Potential zum Kritikerliebling hat: 86/100 Punkte bei Metacritic und Platte des Monats im Musikexpress:
IRIS SILVER MIST besitzt zwei Ebenen. Die erste besteht aus ausformulierten Liedern zwischen Art-Pop, Folk und Electronica. Jenny Hval zeigt seit vielen Jahren ihre grandiose Qualität als Songwriterin. Neue Stücke wie „Lay Down“, „To Be A Rose“ oder „All Night Long“ sind noch mal eine Spur besser, weil sie den Liedern viel Zeit gibt, ihnen kaum fassbare Arrangements schenkt. Synthie-Flächen klingen wie Geigen, Rhythmen aus dem Computer wie tropische Trommeln, alles fließt zusammen in einen warmen Nachtsound zwischen Edel-Pop, Folk und Electronica. Getragen von Texten, in denen Jenny Hval über Blumen und ihre Düfte singt, über das Frau-Werden, Frau-Sein, Frau-Bleiben. Und über die Zigaretten, die ihre Mutter auf dem Balkon raucht und deren Qualm in der Luft einen Tanz aufführt. Wirklich wahr: Dies ist die schönste Kippenpoesie der Welt. Die zweite Ebene von IRIS SILVER MIST eröffnet sich vor allem in der zweiten Hälfte des Albums.
4 Comments
Gar nicht mal so unzugänglich, wie ich es (aus was für Gründen auch immer) erwartet habe. 7 Punkte.
AntwortenLöschenFür mehr ambitionierten Artpop empfehle ich das Album FURIE von Alicia Edelweiss. Weniger experimentell – mehr, naja, furios.
AntwortenLöschenSeufz. Schon zu Schulzeiten war ich im Fach Kunst leider ein Totalausfall. Nur Folgerichtig, dass ich zum Artpop auch keinen richtigen Zugang finde. Für mich 5 Punkte -trotz der Julee Cruise-Nähe.
AntwortenLöschen6,5 Punkte. Für mich etwas zu artig für Artpop.
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