Instrumentaler Post-Rock (II)
Nach "Zidane: A 21st Century Portrait" (2006) und "Les Revenants" (2013) ist "Atomic" also die dritte Soundtrack-Arbeit der Schotten. Hierbei untermalten Mogwai im letzten Jahr eine BBC-Dokumentation von Mark Cousins, die sich, unter ausschließlicher Verwendung von Archiv-Aufnahmen, mit den Schrecken des Nuklear-Zeitalters auseinandersetzte. Und wer könnte die zwei Seiten der atomaren Welt, den Horror (Tschernobyl und Fukushima) einerseits, den wissenschaftlichen Fortschritt und Erkenntnisgewinn (Röntgen-Strahlen und nuklear-medizinische Scans) andererseits, besser in Klänge und Sounds fassen als Mogwai?
Entspannte, meditative Ambient-Landschaften, aus denen abrupt kilometerhohe Gitarrenberge herausragen, analoge Instrumente (Bläser bei "Ether", Streicher auf "Are You A Dancer?") neben elektronischen Beats und synthestischen Effekten - bei Mogwai, die für "Atomic" 10 Songs aus der Dokumentation neu interpretierten, verwandeln sich Träume in Sekundenbruchteilen in Alpträume. Hier geht einiges, auch bisher von ihnen Ungewohntes (Bläser? Streicher?) - nur Gesang, den gibt es hier nicht.
"Atomic" funktioniert nicht nur als Soundtrack, sondern auch unabhängig von den Bildern als eigenständiges Album, wobei den konservativen Mogwai-Fans vor allem die Stücke "Bitterness Centrifuge" und "Tzar" zu empfehlen sind.
Die Instrumentierung ist zwar nah am letzten Studioalbum "Rave tapes", das Ergebnis endet allerdings an einem anderen Ort. Der dort angedeutete Einzug von Leichtigkeit fällt weg, stattdessen schaffen sie mit "Pripyat" so etwas wie den noch böseren Bruder von John Williams' "Imperial march" und treten in "Scram" kräftig auf den Verzerrer. "Are you a dancer?" imitiert die weinende Violine aus den Stücken von Godspeed You! Black Emperor so gut, dass jeden Moment der erdrückende Eröffnungsmonolog aus deren Debüt "f#a#∞" erwartet wird. Ein erhabeneres Bild zeichnet der Opener "Ether", welcher in diesem Kontext als durchaus optimistischer Einstieg durchgeht. Die Auswahl von Höhepunkten aus "Atomic" fällt generell allerdings schwer, es tritt mehr als kohärente Komposition auf, die am Stück gehört werden will.
Das Album funktioniert eindeutig schlechter am helllichten Tag, wo es wenig von seiner Anziehungskraft entfalten kann. Besser klingt es dagegen im abgedunkelten Wohnzimmer, im verregneten Taxi oder beim Nachtspaziergang. Es ist Musik für düstere Stunden, die sich weniger aus den hoffnungsvollen Auswegen speist, welche die Dokumentation in Teilen anbietet. Stattdessen überrollt sie häufig mit apokalyptischer Schwere und orientiert sich an der zerstörerischen Kraft der Atomwaffen. Deshalb zeigt auch das Cover ein brodelndes, bedrohliches Bild der Sonne, deshalb heißen die Songtitel "U-235", wie das gefährliche Uran-Isotop, oder "Little boy" und "Fat man", benannt nach den Bombentypen, die bei den Abwürfen verwendet wurden. Der Gedanke, die Menschheit über Kenntnis und Mittel verfügt, um den Planeten in die Luft jagen zu können, ist unheimlich und beängstigend. Das wissen Mogwai und haben mit "Atomic" den bedrohlichen Soundtrack zu diesen schlimmen Gedanken.
(Plattentests)
Moments of beauty are here to be discovered as on the hymnal Weak Force which fades and reemerges riding towards its conclusion as well as the aforementioned Ether which paces itself to pefection. Little Boy instantly feels like a Mogwai song with the drums at funeral pace, hitting hard but full of precision and drama whilst the guitars and synths weave melodies that flutter and cry. Tears cascade as Little Boy builds in volume and impact, emotions get torn to shred. A raw listening experience that only a band like Mogwai are capable of pulling off.
Are You A Dancer actually seems to be a relative of Come On Die Young’s magical CODY and Tzar rolls like a waltz from way back when before it bursts into life with ghost voices heard in the mix fighting for breathe.
As mentioend before Mogwai have with this album and without saying a word the band have created one of the most powerful protest records ever made. Atomic is not only a strong Mogwai album but it could well be their strongest to date. It is a pure masterpiece from start to finish and serves as a true testament to the characters of all those involved in its creation.
(Louder Than War)
7 Punkte
AntwortenLöschenAuf einem Festival in Stockholm konnte ich die Live-Darbietung plus den Film sehen. Spannender als nur das Album zu hören. 7 Punkte
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