Album des Monats im Musikexpress sowie im Rolling Stone. Eine 9,5 Punkte-Wertung im Spiegel. Und das sind nur die herausragenden Reaktionen im deutschsprachigen Raum auf "Poison Season", das zehnte Album von Destroyer.
Die kanadische Band um Dan Bejar, der nebenher auch noch The New Pornographers betreibt, zeigt sich auch im 20. Jahr ihres Bestehens noch wandlungsfähig und konnte Dank des Erfolgs von "Kaputt" (2011) den Traum einer orchestralen Instrumentierung in die Tat umsetzen. Nun säuseln und schwelgen die Streicher, trötet das Saxofon, erschallen Bongos, Congas und Maracas, so dass man gar nicht mehr weiß, ob dies in ein Broadway-Musical, einen verrauchten Jazz-Club oder eine unterkühlte Bar im 80er Jahre Chic gehört. Offensichtlich auf jeden Fall ins Spitzenfeld vieler Jahresbestenlisten. Auch hier bei Platten vor Gericht?
Überlassen wir die Lobhudelei der oben genannten Fachpresse und lassen exemplarisch die Musik von "Times Square" und "Girl In A Sling" erklingen:
Eine Platte, die sich nicht erst ganz allmählich erschließt, sondern von Anfang an als großer Wurf angelegt ist – was nicht bedeutet, dass sie tatsächlich gleich alle ihre Trümpfe auf den Tisch legt. POISON SEASON beginnt dementsprechend amtlich mit einer Ouvertüre – der ersten Tuchfühlung mit dem „Times Square“. Streicherwiege, Pianotupfer, ein sanftes Innehalten, Dan führt uns an der Hand. Warum uns dabei Jesus ganz außer sich, verheißungsvolle writings on the wall, blühende Rosen begegnen – das wird sich ja vielleicht noch zeigen. Oder auch nicht, denn Dan Bejar bleibt in seinen Lyrics so literarisch andeutungsreich, gleichzeitig verklärt und raffiniert, wie man ihn kennt. Merken muss man sich vorerst ohnehin nur diese Zeile: „You could fall in love with Times Square“. Genau in der Mitte der Platte lädt uns der „Times Square“ dann zum big Schwof ein, als Bowie-70s-Schunkler mitsamt glühender Leadgitarre und Saxofonsolo in beachtlicher Rücklage. „You could fall in love!“ Da ist es längst passiert. Und schließlich als Reprise nach 50 Minuten, mit verwehenden Geigen. Seufz.
(Musikexpress)
Es ist oft geschrieben worden, dass Bejar etwas mit David Bowie am Laufen hat, mit dem frühen Bowie der ersten Alben, die man als „versponnen“ bezeichnen kann. Destroyer macht aber eigentlich etwas, das Bowie mit seiner letzten Single, „Sue (Or In A Season Of Crime)“, versuchte: Jazz und schwelgerische Orchestermusik mit Poesie zu verbinden. Während Bowie aber Scott Walker nacheifert und also die Dekonstruktion, wenn nicht Destruktion anstrebt, ist Bejar ganz der späte Romantiker, der amerikanische Musicals und Vaudeville, Barry Whites „Rhapsody In White“ und Isaac Hayes’ „Hot Buttered Soul“ zusammendenkt. Angesichts der musikalischen Pracht, der Percussion und der tropischen Schwüle von „Poison Season“ könnte man auch sagen: Der brasilianische Schamane Marcos Valle arrangiert die Harlekin-Lieder von Momus. Und wenn wir schon bei New York sind: Bei „Dream Lover“ tönt ein Saxofon, das an Bruce Springsteens Großstadt-Epen „Rosalita“ und „Kitty’s Back“ erinnert. Das beschwingte Arrangement von „Hell“ beginnt mit Streichern und Trompete wie bei Michael Nyman oder dem Penguin Cafe Orchestra und steigert sich dann zu einem wirren sinfonischen Finale – in drei Minuten.
(Rolling Stone)
Alles auf dieser grandiosen, in verschiedenste Jahrzehnte ausgreifenden Platte widersetzt sich dem Hit, bleibt lieber ins Detail verliebt als in Refrains - und ist genau in dieser zu Herzen gehenden Verzagtheit das Größte und Selbstgewisseste, was dieser erstaunliche Musiker bisher vollbracht hat.
Gleich dreimal kehrt er, jedes Mal signifikant variiert, an den "Times Square" des ersten Songs zurück, eine burleske Musical-Melodie aus der Broadway-Mottenkiste, in der Bejar das Wort "Square" so genüsslich zerdehnt wie einen süßen Kaubonbon. "Dream Lover" stürmt dann, mit kreischenden Saxophonen und peitschenden Drums quer über den Platz, als wäre es 1973 und Springsteens E-Street-Band eine Horde Straßenmusikanten. "Forces From Above" flüchtet vom Urbanen ins Exotische, als würden kühle Achtziger-Popper wie Talk Talk oder Scritti Politti zum Beat nu-yoricanischer Latino-Bands grooven. "Hell" schließlich evoziert mit sehnenden, zupfenden Streichern, die Zeit der Kutschen und Zylinderhüte: "Baby it's dawn, look what I've become: scum/ A relic, a satellite (…) It's hell down here", singt er, sich selbst plötzlich ertappend, beim Hineinträumen in die Schicksale, Dramen und Geräusche, die Times Square gesehen und gehört hat.
(Spiegel)
Destroyer live in Deutschland:
13.11.15 München – Kammerspiele
14.11.15 Köln – Luxor
15.11.15 Berlin – Lido
Ich bin dabei, auch wenn die Vinyl Version, vor allem bei Dream Lover stark übersteuert erscheint.
AntwortenLöschen9 Punkte
7 Punkte
AntwortenLöschenAn manchen Stellen werde ich sogar an eines meiner Lieblingsalben "Deserter's Songs" erinnert.
AntwortenLöschenola. mind. eine 8,5.
AntwortenLöschenDas könnte auch noch leicht nach oben gehen.
Wie auch sein letztes Album: Hier wird verdammt wenig falsch gemacht.
7 Punkte
AntwortenLöschenMehr Mercury Rev, weniger Jazz-Gedudel und schon gäbe es mehr Punkte als deren 5,5.
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