Deutsches Pop- Fräuleinwunder (III) Strategisches Marketing nennt man das wohl, wenn ein neues Album von Lena, G...

Lena - Crystal Sky
























Deutsches Pop-Fräuleinwunder (III)

Strategisches Marketing nennt man das wohl, wenn ein neues Album von Lena, Gewinnerin des ESC 2010, kurz vor dem alljährlichen Eurovision Song Contest veröffentlicht wird. Diese Idee hatten ihre Manager jedoch nicht exklusiv: Auch Conchita Wurst, amtierende ESC-Queen, und Ann Sophie, Deutschlands Vertreterin 2015, die nach dem Vorentscheid hier nur wieder gewinnen kann, wenn der Sieger erneut zurücktritt (und das dann mindestens 19 mal), brachten soeben neue Alben heraus. Und vielleicht haben ja auch Johnny Logan, Lordi und Dana International neue Platten draußen! Wer weiß oder besser: Wer will es wissen?

Zurück zu Lena, die heute ihren 24. Geburtstag feiert, und uns mit "Crystal Sky" nicht wirklich beschenkte. Die Vorab-Single "Traffic Light" tendiert noch in Richtung des Vorgängers "Stardust" (2012). Doch über die Vielzahl der 14 Songs des Fräuleins darf man sich wundern, denn wo ist der charmante Pop mit Indie- und Schwedeneinschlag des Vorgängers geblieben? Statt dessen gibt es glatt polierten, elektronischen, basslastigen und tanzbaren Pop. Hier ein wenig Dubstep ("Invisible"), dort die offensichtlich unvermeidbaren Stimmeffekte ("4 Sleeps") und Sprechgesang-Einlagen ("Catapult") und die schmachtende Ballade ("Sleep Now", "Home") wurde auch nicht vergessen. Da haben die zahlreichen internationalen Songwriter und Produzenten ganze Arbeit geleistet. "Crystal Sky" ist, kurz zusammengefasst, austauschbar und belanglos. 
Ist das nun Lena oder Ellie Goulding, darf man sich zukünftig fragen, wenn ein Song von "Crystal Sky" im Radio läuft. Die Antwort lautet: eigentlich vollkommen egal.    




14 Songs hat Lena mit namhaften Produzenten und Songschreibern wie Jonny Coffer und Kat Vinter aufgenommen. Zugespitzt ausgedrückt: Sie hat einen Song 14 Mal eingespielt, von "The Girl" bis "Home" klingt alles verwechselbar. Der Sound ist ein Amalgam aus elektronischen, basslastigen, experimentellen und tanzbaren Versatzstücken. Über den Clubsounds, Dubstep-Elementen und computergenerierten Retroeffekten liegt eine Stimme wie auf Helium. Viele Songs, sagt Lena, kommen "aus meiner Seele heraus und entsprechen dem, was ich gerade fühle". Warum klingt "Crystal Sky" dann nur so seelenlos, kalkuliert und künstlich?
Auf ein Stück wie "Taken By A Stranger" (2011) wartet man vergeblich. Von Gefahr war in dem melodielosen, aus elektronischen Klangbausteinen raffiniert konstruierten Song die Rede - und von Verführung. Das Lied von Stefan Raab und Reinhard Schaub erzählte eine spannende, anspielungsreiche Geschichte. Lenas "Crystal Sky" ist leer und ohne Leben.
(Kölnische Rundschau)


Was beim Hören von "Liquid Sky" zuerst auffällt, ist die veränderte Stimme. Diese wird diesmal in ein Meer von Hall und verdoppelten Spuren gebettet, was sich negativer anhört, als es gemeint ist. Natürlich schafft dieser voluminöse Sound auch eine gewisse Künstlichkeit und Distanz. Das ganze Album klingt sehr "produziert". Und doch erschließt sich mit jedem Song, den man hört, immer mehr ein stimmiges Gesamtbild.
Obwohl auf den 14 Songs von "Crystal Sky" mindestens ein halbes Dutzend Produzenten tätig war, ergibt sich ein durchgängiges Gefühl sanfter elektronischer Pop-Melancholie. Es handelt sich um ziemlich bombastischen, aber in den Melodien durchaus grazil geführten Mainstream-Pop. Verantwortlich zeichnen dafür Songwriter und Produzenten wie BIFCO (Ellie Goulding, Kylie Minogue), Jonny Coffer (Emili Sandé), Matty Benbrook (Faithless) oder Ryan Marrone (Lady Gaga). Und ihre Lena hat nichts Provinzielles oder "Nachgemachtes" mehr, sie steht vielmehr für einfachen State-Of-The-Art-Radiopop elektronischer Spielart.
Man kann dies mögen oder ablehnen, die Produktionsqualität ist aber kaum zu überhören. Es sind sogar einige recht gute Songs auf dem vierten Album der ESC-Siegerin von 2010 zu finden ("The Girl", "Keep On Living", "Catapult"). Lena distanziert sich von jenen Mitsing-Brettern aus ihrer Stefan-Raab-Periode. Wichtiger waren ihr Songs, die unter dem Glitzergewand eine schöne Sensibilität offenbaren. Eine Feinfühligkeit, die in den besten Momenten an die wunderbare englische 80er-Avantgarde-Popband Cocteau Twins erinnert.
(Mittelbayerische)


Schon im ersten Hördurchgang werden die Stärken und Schwächen von Lena Meyer-Landruts viertem Longplayer deutlich. Für eine Popproduktion gibt es wenig zu meckern: Hier gehts um modernen Electro-Pop mit ein wenig R'n'B und Neo-Soul-Einsprengseln, zielgerecht in ein (potentiell) international vermarktbares Soundkleid hinproduziert.
So international die Platte aber auch angelegt ist, so austauschbar klingt sie in einem Meer aus ähnlichen High-Gloss-Electro-Pop-Produktionen. Eine handwerklich perfekt durchgezogene und durchaus genießbare Auftragsarbeit und auch seitens Lena Meyer-Landrut ein durchaus nachvollziehbarer Schritt nach Vorne. Für ein wirklich in Erinnerung bleibendes und eigenständiges Werk fehlt es "Crystal Sky" aber doch etwas an Substanz. 
(laut)


Lena unterwegs:
21.10.2015 Berlin, Heimathafen Neuköln
22.10.2015 Hamburg, Gruenspan
23.10.2015 Leipzig, WERK2 - Halle D
25.10.2015 Stuttgart, Im Wizemann (Halle)
26.10.2015 Frankfurt, Batschkapp
27.10.2015 Köln, Gloria-Theater

3 Kommentare:

  1. Werde ich zum Teenie oder ihre Musik "erwachsener"? 6 Punkte

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  2. Ach Lenchen, nicht in jedem Strom muss man mitschwimmen. Leider nicht so gut wie Stardust.

    5,5

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  3. Dein vorheriges Album war doch ganz gut, Lena, warum dann das hier?

    5 Punkte

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