Hui Weller! 56 Jahre alt, 24 Alben schwer (12 Solo und jeweils 6 mit The Jam und The Style Council) und kein bisschen leise. Man höre sich nur einmal an, was einem beim Opener "White Sky" aus den Lautsprechen entgegenschallt! "Has My Fire Really Gone Out?" fragte der Modfather 1993 und auch 22 Jahre später gibt es mit seinem neuen Album "Saturns Pattern" sich selbst und allen Zweiflern die richtige Antwort.
Paul Weller rockt, groovt und packt in 9 Songs alles hinein, was ihn in den letzten Jahren musikalisch prägte und interessierte: R&B, blue-eyed Soul und Rock, der sich wahlweise die Vorsilben Psychdelic-, Kraut-, Space-, Brit- oder Blues- verdient.
"In The Car..." dürfte den Menschen gefallen, die sich nach Wellers experimenteller Seite sehnen, wer den temporeichen, knackigen Rocker für das Live-Erlebnis sucht, wird bei "Long Time" fündig werden, "Going My Way" und "I'm Where I Should Be" können alle befriedigen, die sich einen weiteren Klassiker von Weller erhoffen, den man auch in Jahren noch wird mitsingen können, und mit "These City Streets" mündet ein Album von ihm endlich einmal wieder in einem epischen Song, der die 8-Minuten-Marke locker durchbricht.
"Saturns Pattern" wurde von Jan "Stan" Kybert und Paul Weller selbst produziert und neben den Mitgliedern seiner Live-Band (Steve Cradock, Andy Crofts, Ben Gordelier und Steve Pilgrim) fanden sich auch Josh McClorey (The Strypes) und The Jam-Gründungsmitglied Steve Brookes im Studio ein. Wem die 9 Songs nicht ausreichen, der sollte zur Deluxe-Variante greifen, die das Repertoire um "(I'm A) Roadrunner" und "Dusk Til Dawn" sowie einen Remix von "White Sky" erweitert.
Schunkelnde Pianos, perlende Percussions, altertümliche Elektroeffekte und die Rückkehr zu einer Grooviness, die sich aus der Liebe zu R&B speist.
Mitunter klingen Weller und Band funky wie etwas von Brian Auger, in das ein fieses Gitarrensolo reingrätscht, bevor sich wieder der psychedelische blue-eyed Soul breitmacht, auf den sich Weller so wunderbar versteht. Mitunter sind sie eine swingende, die Wonnen der Natur preisende Yachtrock-Band.
Mitunter bricht sich aber auch Wellers Krautrock-Affinität Bahn, gleich im rumpeligen Opener – sehr energetisch, sehr enervierend. Oder in dem wüst daherstampfenden „In The Car“, featuring Megafon, elektronische Fiepser, Bottleneck-Rutschen. Dazwischen klassische, an The Jam erinnernde Songs wie „I’m Where I Should Be“, wo seine Stimme erhaben über präzisen Harmonien schwebt: „reach for the sky“ – warum auch nicht? Gibt ja sonst keine Grenze.
Manchmal will er zu viel in einem einzigen Song, was oft schiefgeht, hier aber das Acht-Minuten-Wunder „These City
Streets“ gebiert. Schönste Soul-Harmonien, dann setzt eine Hammond ein, ein psychedelisches Flattern, ein elektronischer Effekt, eine Ode an die Stadt und an die Liebe, ein urbaner Trip, der sich immer wieder hübsch verdaddelt und einzig durch einen weichen Bass und Wellers burschikos-britische Stimme gehalten wird, die einen Flow erzeugt, wie man ihn sonst eher von Curtis-Mayfield-Platten kennt oder von Lonnie Liston Smith.
Am Ende ändert der Track noch einmal die Richtung, groovt sich neu ein, und Weller singt: „You still gotta way to go.“ Ja, bitte.
(Rolling Stone)
Paul-Weller-Alben der jüngeren Vergangenheit changierten zwischen psychedelischen Stimmungen, Dub-infizierter Rhythmik und krautigen Repetitionen – Muster, die sich auch auf den neun Songs von Saturn’s Pattern wiederfinden. Und trotzdem gelingt es Weller nicht zuletzt aufgrund seiner ungebremsten Begeisterungsfähigkeit einmal mehr, sich neu zu erfinden. 2015 jongliert der modfather mit Genres wie Glam- oder Space-Rock und bricht zugleich mit ihren Konventionen, er lotet elektronische Klangspektren sowie die Möglichkeiten seiner Instrument- beziehungsweise Effektpalette aus, zeigt Ideen auf, nur um sie gleich wieder zu verwerfen. Er ist gewissermaßen lost im nach vorne blickenden Retro-space oder, wie der Künstler es in einem Songtitel selbstbewusst ausdrückt: »I’m Where I Should Be«.
Bands der (Prä-)Post-Punk-Ära wie This Heat oder The Pop Group brauchten ihrerzeit nur zwei oder drei Alben für die Verarbeitung ähnlicher Einflüsse – Weller macht daraus quasi eine Lebensabschnittsaufgabe unter dem immer noch gültigen und eher konventionellen Vorzeichen »Rock«. Doch das kann man ihm nicht verübeln, denn er schafft es, dabei stets die eigene Relevanz im temporalen Kontext zu reflektieren – und auch den eingangs erwähnten Aufruf zu beherzigen.
(Spex)
7 Punkte
AntwortenLöschenFür den guten alte Paule gibt's: 7,5 Punkte
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