Ambitioniert, heterogen, experimentierfreudig und spannend – diese Adjektive fielen mir nach dem ersten Hören des neuen Albums von Slut ein. 5 Jahre ließ sich die Band aus Ingolstadt seit „StillNo1“ Zeit, um die Sound- und Songideen für „Alienation“ auszuarbeiten, und gleich 5 Produzenten waren ihnen quer durch die Republik bei der Umsetzung behilflich: Tobias Levin (Kante, Schrottgrenze, Jens Friebe), Mario Thaler (The Notwist, Lali Puna), Olaf O.P.A.L. (Naked Lunch, Sportfreunde Stiller), Oliver Zülch (Die Ärzte, Juli) und Tobias Siebert (Phillip Boa, Kettcar).
Mit der Single „Next Big Thing“ und „Never say Nothing“ sind nur noch recht wenige Songs vertreten, die der Vorstellung vom klassischen Indie-Gitarrenrock-Song, wie sie auf „Nothing Will Go Wrong“ (2002) und „All We Need Is Silence“ (2004) noch so zahlreich vertreten waren, entsprechen. Auch die Anzahl der ruhigen, melancholischen Titel ist beschränkt („Alienation“, „Holy End“).
Stattdessen wird viel auf ungewöhnliche Songstrukturen und dominante Rhythmen und gelegentlich elektronische Beats gesetzt. Gleich den Opener „Anybody Have A Roadmap“ würde man vermutlich eher auf dem neuen Album von The Notwist vermuten und auch eine zunehmende Radiohead-isiering von Slut ist nicht von der Hand zu weisen. Man höre nur „All Show“ oder „Broke My Backbone“, das vielleicht rückblickend einen ähnlichen Stellenwert im Backkatalog einnehmen wird wie „Idioteque“ für Radiohead.
Man darf also gespannt darauf warten, wie sich Slut auf ihrem nächsten Album weiterentwickeln werden.
Passend zum Plattencover kommt die LP in schönem, 180g schweren, roten Vinyl daher.
Diese Ausgangslage lässt sich vorzüglich dazu missbrauchen, sich an zweierlei Fragestellungen abzuarbeiten: 1. Wozu braucht eine fünfköpfige Band überhaupt einen Produzenten – sind da nicht schon genügend kreative Köpfe am Start? 2. Welcher Produzent ist am Ende der derbste?
Zu Punkt 1: Produzenten werden für gemeinhin dann ins Boot geholt, wenn die Band a) ihren shit aus Gründen der Sozialkompetenz nicht allein zusammenkriegt und deshalb einen Mediator, Leitwolf oder eine Domina benötigt oder b) der Meinung ist, dass es das eigene Material noch nicht so richtig bringt, Input von außen die Sache also kreativ aufpimpen würde. Nun aber folgende Erkenntnis: Alienation ist ein gutes bis sehr gutes Album, weil Slut eine gute bis sehr gute Band sind. Was direkt zur Beantwortung der zweiten Frage führt: Oliver Zülch, ausgerechnet der Mainstream-Typ (Ärzte, Sportfreunde Stiller) in der illustren Riege! Unter seinen Fittichen klingen Slut wie die bestmögliche Version ihrer selbst. Zülch begibt sich, ähnlich wie sonst Moses Schneider, in die Rolle eines Engineers, der die Band dazu bringt, aus sich selbst heraus gut zu klingen, Opulenz also mit angestammten Mitteln zu erzeugen. Vielleicht handelt es sich bei dem bedrohlich dengelnden »Next Big Thing« und dem supermilden Chanson »All Show« auch einfach nur um die besten Kompositionen. Das wäre aber großer Zufall. Die anderen Jungs haben die Chance ergriffen und die Slut-Songs mit ihrem persönlichen Imprint versehen. War wohl ihr Auftrag, kann man ihnen keinen Strick draus drehen. Und auf weiter Strecke zündet das Amalgam ja auch. Dennoch bleiben Fragen: Wie klänge zum Beispiel »Anybody Have A Roadmap?« ohne das Klicker-Klacker und die Tribal-Trommeln? Würde »Broke My Backbone« auch ohne Jungle-Groove und Mr.-Oizo-Bass auskommen? Und würde »Remote Controlled« ohne den Billo-Drummie vielleicht nicht ganz so sehr nach 80er-Revival schmecken? Schon klar: Im musikalischen Jetzt und Hier können Musiker und Produzenten aller Genres theoretisch auf das gleiche Produktionsmittelarsenal zurückgreifen. Womit sich Genres (außer die ganz, ganz speziellen) auch schon wieder erübrigt haben. Nichts scheint da uncooler als Linientreue. Dennoch soll dieser Text mit einem vermeintlich mega-reaktionären Fazit beendet werden, das gerade für Slut seine Gültigkeit nicht verloren hat: Eine gute Indierockband ist eine gute Indierockband ist eine gute Indierockband.
(SPEX)
(...) Nein, vor allem deshalb, weil diese Band, die um eine stilistisch denkbar offene Auslegung der Idee Alternative Rock noch nie verlegen war, auf ALIENATION noch einmal die zehnjährige Bandgeschichte rekapituliert und alles vorführt, was sie kann – und dann noch ein bisschen mehr. Also gibt es knackigen Gitarrenrock wie in „Next Big Thing“, entspannte Gitarrenpopsongs wie „All Show“, psychedelisches Wimmern wie im „Silk Road Blues“, weihevolle Düsternis in „Idiot Dancers“ und nervös flatternde, elektronische Reduktion in „Broke My Backbone“. Eins haben die Stücke gemeinsam: Dass sie trotz des gewaltigen Detailreichtums so klingen, als wären sie auf dem Sprung zu etwas Größerem.
(Musikexpress)
Tourneetermine für 2014 gibt es jetzt auch für Slut:
AntwortenLöschen11.01. Dresden - Beatpol
12.01. Berlin - Lido
13.01. Köln - Gebäude 9
14.01. Frankfurt - Zoom
20.01. A-Salzburg - Arge
22.01. A-Innsbruck - Weekender
23.01. A-Graz - Postgarage
27.01. Erlangen - E-Werk
28.01. Stuttgart - Schocken
29.01. CH-Zürich - Rote Fabrik
30.01. CH-Basel - Sommercasino
31.01. München - Freiheiz
Das letzte Album war voller kleiner und großer Hits.
AntwortenLöschenDieses nicht
6
8 Punkte
AntwortenLöschen8,5 Punkte
AntwortenLöschenBeu laut.de beschweren sie sich über den deutschen Akzent beim Gesang. Find ich total verrückt.
AntwortenLöschenSo war es beim Konzert von Slut und My Heart Belongs To Cecilia Winter in Wien: Bericht, Fotos und Setlisten.
AntwortenLöschen7
AntwortenLöschenGanz locker erreichen Slut bei mir
AntwortenLöschen8 Punkte
Ich muss leider im Vergleich zu anderen meiner Wertungen noch mal einen Punkt abziehen
AntwortenLöschen5
7 Punkte.
AntwortenLöschenWiederholungstäter: So war das Konzert von Slut in Köln.
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