Bei Thomas Peter Odell lohnt sich immer ein Blick in die deutschen Singles Charts, denn „Another Love“, seine 2012 veröffentlichte Debütsingle tummelt sich seit mittlerweile 288 Wochen in diesen. Mit einer solchen Verweildauer kann bei Weitem kein anderes Lied aus den Top 100 mithalten. Und wir reden hier nicht von den hinteren Plätzen: Kurz nach der Veröffentlichung kratzte „Another Love“ an den deutschen Top 10 (#11), die dann 2022 (#9) erreicht werden konnten. Aktuell steht der Song wieder auf Platz 19. Selbst in England wird der Song nicht so geliebt: Platz 10 als Höchstposition, schlappe 130 Wochen in den Top 100 und im Jahr 2025 noch gar nicht in diesen vertreten.
Bei seinem neuen, insgesamt siebten Album bleibt abzuwarten, ob es hierzulande solche Höhen erreichen kann. Zwar schaffte es der Vorgänger „Black Friday“ bis auf Platz 32 in Deutschland, jedoch waren die beiden Alben zuvor - zumindest bei uns - nicht gefragt und verfehlten die Charts. Anders als bei „Another Love“ war der Erfolg von „Black Friday“ jedoch sehr kurzfristig, denn nach nur einer Woche flog das Album wieder aus den Hitlisten. Zumindest in seiner englischen Heimat kann sich Tom Odell - nach sechs Platzierungen in den Top 7 - sicher sein, dass „A Wonderful Life“ ausgiebig gehört und gekauft wird.
Der 34-jährige Tom Odell setzt zwar auch weiterhin auf traurige-Junge-Piano-Pop („Why Do I Always Want The Things That I Can’t Have“, „Strange House“), der es aber wagt, roh und unperfekt aufgenommen zu sein, gelegentlich ein wenig zu rocken und das Tempo anzuziehen („Can We Just Go Home Now“) sowie solch offene und schonungslose Texte zu bieten: „You don’t wanna touch me / Don’t wanna fuck me / ‘Cause I’m ugly“. Bei „Don’t Cry, Put Your Head On My Shoulder“ (und nicht nur hier sondern fast überall) haben sicherlich die frühen Radiohead Pate gestanden und orientiert sich „Prayer“ nicht ziemlich an The Beatles?
„A Wonderful Life“ ist als CD und LP (black Vinyl, Coke Bottle Green Transparent Vinyl) erschienen und bietet mit 10 Songs in knapp 40 Minuten mehr Musik als sein Vorgänger (9 Lieder und vier Zwischenspiele in unter einer halben Stunde). Können dadurch mehr als die 6,75 Punkte für „Black Friday“ (#169).
Es ist nicht zuletzt die klare, transparente und am Livekonzert-Gefühl orientierte Produktion, die hier eine gewichtige Rolle spielt. Man merkt es einfach, wenn Musiker gemeinsam spielen, interagieren, aufeinander hören – und nicht nacheinander zu unterschiedlichen Zeiten oder an unterschiedlichen Orten ihre Tracks einspielen, auf dass sie später irgendwann im Studio mal schnell zusammengebastelt werden. Das hier ist Musik mit Herz und Hand, mit Anstand und Attitüde – schlicht und einfach eine unglaublich saubere Arbeit, die noch lange nach dem Hören nachhallt. Das freut uns nicht nur aus ganz egoistischen Motiven (denn dieses Album ist ein Dauerbrenner), sondern auch für Odell: Mit diesen Songs im Gepäck wird sich die folgende Mammut-Tournee im Handstreich bestreiten lassen.