Dekker - Neither Up Nor Down


 

Ich mag ja das Konzept von Dekkers Plattencovern: Der Hintergrund ist monochrom gehalten, bei jedem Album in einer anderen Farbe - „Slow Reveal: Chapter One“ (blau), „I Won’t Be Your Foe“ (orange), „Future Ghosts“ (schwarz) und nun „Neither Up Nor Down“ (grün) - und der omnipräsente, riesige Strohhut verdeckt das Gesicht des US-Amerikaners komplett und mehr gibt es auch nicht zu sehen. Auch den Albumtitel oder Interpretennamen sucht man meistens vergebens.  



Bei „Neither Up Nor Down“ kommt nun möglicherweise eine weitere Ebene hinzu: Man sieht Brookln Dekker in gebückter Haltung, der Körper ist - dem Albumtitel entsprechend - weder oben noch unten. Da stellt sich nun die Frage, wie die Plattenrichter „Neither Up Nor Down“ sehen und ob ihre Daumen nach oben oder unten zeigen werden, oder weder noch. 

Bisher sah das mit dem Daumen bzw. den Punkten und Plätzen für Dekker bei Platten vor Gericht so aus:
In Parallel“ mit Rue Royale (2018; 7,000 Punkte, Platz 97)
We Share Phenomena“ als Lambert & Dekker (2018; 7,500 Punkte; Platz 39)
Slow Reveal: Chapter One“ (2020; 7,250 Punkte, Platz 83)
I Won’t Be Your Foe“ (2022; 6,500 Punkte, Platz 184)
Future Ghosts“ (2024; 6,500 Punkte, Platz 196)

Zu hören gibt es auf „Neither Up Nor Down“ erneut 11 folkige Songs in recht reduzierten, rein akustisch gehaltenen Arrangements, co-produziert wurden sie zusammen mit seinem langjährigen Freund und Kollaborateur, dem Berliner Schlagzeuger Stefan Wittich, und gemischt und gemastert von Zach Hanson (Bon Iver, The Staves, Low, Waxahatchee). Auf „The Dove“ hören wir Dekkers Ehefrau Ruth mitsingen, mit der er die zurzeit ruhende Band Rue Royale betreibt. Thematisch setzt er sich auf persönlicher Ebene mit vielen Arten von Beziehungen, wie gelebter Langzeitliebe, der Beziehung zu sich selbst, die Idee von Gott oder elterliche Liebe, auseinander und dürfte dabei Fans von Bon Iver („Photograph“), also dem ohne Stimmverzerrer und elektronische Experimente, José González (Can’t Unsee It“) oder Iron & Wine („Change The Chord“) abholen.
 

 


 


Vielmehr setzt Dekker auf eine reduzierte Instrumentierung: akustische Gitarren, sparsame Begleitung und gelegentliche sanfte Perkussion-Elemente. In dieser Zurückhaltung liegt seine Stärke. Der Song „Let Me Take You“ etwa zeigt Dekkers Stimme im Mittelpunkt, getragen und ausdrucksvoll, begleitet von leichtem Gitarrenklang und ruhiger Rhythmik.
Dekker gelingt es in diesen Songs immer wieder, das scheinbar Unaussprechliche in Klang zu verwandeln, Momente des Innehaltens, des Zweifelns, des Suchens. Andere Stücke, wie etwa „Change The Chord“, greifen Motive von Veränderung und innerem Konflikt auf, ohne je in  ein Klischee abzurutschen.  In „Not Feeling Up“ etwa klingt eine direkte Verlorenheit an, die man selten so nüchtern vorgetragen hört.
Mit „Neither Up Nor Down“ liefert Dekker ein durch und durch nachdenkliches Werk ab, eins, das nicht laut sein will und sich in den Mittelpunkt drängt, sondern beobachtend, im Raum dazwischen. Wer sich auf diesen Klangraum einlässt, wird reich belohnt: mit Momenten der Einsicht, mit kaum betontem Pathos und mit einer Stimme, die Spuren hinterlässt. 


 





0 Comments