Ich bin ziemlich angetan vom neuen Album der libanesischen Band Postcards. Julia Sabra (Gesang, Gitarre), Pascal Semerdjian (Schlagzeug) und Marwan Tohme (Bass, Gitarre) standen bereits mit zwei ihrer Alben hier vor Gericht und erhielten von mir 6,5 („The Good Soldier“, 2020) bzw. 7,5 Punkte („After The Fire, Before The End“, 2021). Diese ansteigende Tendenz wird auch von „Ripe“ fortgesetzt werden.
Frühere Dreampop-Elemente sind, wie im ätherischen „Nine“ noch vorhanden, aber größtenteils einem deutlich raueren, bedrohlicheren Shoegaze-Sound gewichen, der sich aus der Wut, Trauer und Ungewissheit speist, die das Leben im Libanon aktuell unweigerlich mit sich bringen. „Dust Bunnies“ nimmt in seinem Verlauf an Intensität und Dringlichkeit zu und lässt mich dabei an „Popplagið“ von Sigur Rós denken, „Poison“ überrascht überrascht mit einschneidenden, noisigen Gitarren-Ausbrüchen und der epische Postrock von „Wasteland Rose“ positioniert die Band irgendwo zwischen Just Mustard, Esben And The Witch und PJ Harvey.
Das Trio nahm den Großteil des Albums live im Haus der Familie von Pascal Semerdjian in den libanesischen Bergen auf und konnte so zusammen mit dem Produzent Fadi Tabbal die Energie und Dringlichkeit ihrer Live-Shows einfangen.
Postcards unterwegs:
22.09.25 Berlin, Kantine am Berghain
23.09.25 Kiel, Hansa 48
24.09.25 Dresden, Ostpol
25.09.25 Ulm, Gold
26.09.25 Schorndorf, Manufaktur
27.09.25 Dachau, Altes Kino der KKD
28.09.25 Karlsruhe, KOHI
"Ripe" verpasst dem schon eh und je melancholischen Sound der Band eine gehörige Portion Kraft und Energie. Zentnerschwer und trotzdem vorsichtig tastet sich "I stand corrected" noch als porenreiner Dunkel-Dreampop nach vorn, doch anschließend beschwören Postcards nichts weniger als den Weltuntergang in zehn mal mehr, mal minder sanften Facetten. Und pendeln dabei gern zwischen den Extremen: "Poison" post-punkt sich auf hypnotisierendem Basslauf einmal quer durch die Siouxsie-Schule, stört den Unterricht aber mit ungestümen Noise-Attacken, während "Nine" lieber folkig-ätherisch aus dem Fenster schaut. Dieses Ausloten verschiedenster Stimmungen bleibt das Hauptanliegen des Albums, wenn es auch im Hintergrund immerzu bedrohlich brodelt.
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