Dem Genrebegriff „Cowboy Pop“ bin ich bisher noch nicht begegnet. Wikipedia nutzt diesen jedoch bei der Umschreibung von Widowspeak , der au...

Widowspeak - The Jacket


Dem Genrebegriff „Cowboy Pop“ bin ich bisher noch nicht begegnet. Wikipedia nutzt diesen jedoch bei der Umschreibung von Widowspeak, der aus Brooklyn, New York stammenden Band von Molly Hamilton (Gitarre, Gesang) und Robert Earl Thomas (Gitarre), die seit 2010 zusammen mit wechselnden weiteren Musikern musizieren und diesen Monat ihr sechstes Album herausgebracht haben. An der Entstehung von „The Jacket“ waren noch Michael Stasiak (Schlagzeug), J.D. Sumner (Bass), Michael Hess (Piano, Orgel), Homer Steinweiss (Mellotron, Produktion) und Chris Coady (Mixing) beteiligt.

Die Begriffe „Dreampop“, „Americana“, „Slowcore“ und „Folkrock“ sind bei der Umschreibung des beruhigenden, gelegentlich etwas eintönigen, nostalgischen Sounds von Widowspeak aufgrund der Nähe zu Mazzy Star, Cat Power und Lana Del Rey definitiv ebenfalls angebracht. Der Gedankengang „New Yorker Band und schwarze Lederjacke ist gleich rumpelnder Indierock oder Post-Punk“ führt hier also nicht zum Ziel, denn diese Lederjacke hat ganz offensichtlich Fransen an den Ärmeln. 

The Jacket“ ist als CD, Kassette und LP erschienen, in der limitierten Auflage als white Vinyl.


 


Die Balance zwischen dem Raus-da der alten Rockmusik und dem Sich-Verkriechen mit den Instrumenten bekommt die Band auch über weite Strecken ihres sechsten Albums ziemlich gut hin, es gibt seltsam schillernden Country-Rock hier, der zum leicht krängenden Psychedelic Pop wird, Widowspeak überfahren den Mittelstreifen zwischen den Genrespuren unentwegt, ohne den Verkehrsfluss zu gefährden.




“While You Wait” ist ein gutes Beispiel für das simple, aber effektive Rezept, das Widowspeak immer wieder neu verwenden: eingängig, mit viel Popappeal. Und trotz aller Zartheit besitzt der Song eine alte, knorrige Wurzel, die tief ins Erdreich geht und an eine andere Band erinnert, deren Name sich gerade entzieht. „True Blue“ glänzt dagegen mit einem taumeligen Malkmus-Gedenksolo. Im Titelsong kratzt eine ungeduldige Gitarre die filigranen Melodieblüten endlich ganz auf und bringt sie halt auf diesem Wege zum Leuchten. Thomas scheint ohnehin seine ganz eigenen Pfade durch die Platte zu schlagen. Grobmaschiger denn je umsäumt er Hamiltons Gesang mit ausgefranzten Akkorden und scharfem Twang. 


 


Wer kritisiert, die angedeuteten Ausbrüche seien nicht konsequent genug ausformuliert, hat die Gleichförmigkeit als ästhetisches Prinzip nicht verstanden. Dream Pop ist kein Genre, das uns mitreißen, sondern eines, das uns fixieren will – und das uns, aller kleinen Risse und Realitätsdurchlässe zum Trotz, in einen Trostkokon hüllt, in dem nichts anderes als das vage Gefühl zählt. In einem der besten Momente lädt Hamilton zum "Slow dance" ein, tritt als Avatarin einer flüchtigen Zuneigung auf, die nie spurlos verschwindet: "When you wake / Feeling will be gone / The world has moved on / But you know that you were loved / Let that be enough." Mit Widowspeak ist es wie immer mehr als genug.


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