Kommen wir nach zwei Wahlberlinern (Efterklang und Charity Children) heute zu waschechten Berlinern: Isolation Berlin . Offensichtlich mögen...

Isolation Berlin - Geheimnis



Kommen wir nach zwei Wahlberlinern (Efterklang und Charity Children) heute zu waschechten Berlinern: Isolation Berlin. Offensichtlich mögen sie ihre Stadt, hassen Fußballspielen, wollen so sein, wie Nina Hagen und haben private Probleme sowie ein Geheimnis. Zumindest, wenn man ihrem neuen Album „Geheimnis“ und der Trackliste der 11 Songs glauben schenken mag.    

Ein Geheimnis sind Isolation schon längst nicht mehr, denn ihre ersten Alben „Und aus den Wolken tropft die Zeit“ (2016) und „Vergifte dich“ (2018) kamen bis auf Platz 69 bzw. 30 in den deutschen Charts. Tendenz also steigend. Die überaus positiven Plattenkritiken (siehe unten) in Verbindung mit einem Weniger an Noise, Krach, Geschrei und Rock sowie einem Mehr an Zugänglichkeit und ausgefeilten Arrangements (Streicher, Orgel...) werden dazu ihren Teil beitragen. Als träfen sich Sven Regener, Joy Division und The Velvet Underground in einer Berliner Kneipe…

„Geheimnis“ ist als CD und LP erhältlich. Das limitierte Doppelvinyl gibt es inklusive des Livealbums "Live in Ho Chi Minh City“, zudem gibt es die Platte auch auf clear Vinyl.  


 


Ja, Isolation Berlin erzählen viel, aber dennoch noch lange nicht alles. Etwa im rotzig vorgetragenen, mit schepperndem Bass durch den Song stolpernden "Private Probleme". "Ich will nicht darüber reden", erklärt Sänger Tobias Bamborschke, bevor eine The-Strokes-Gitarre zum Tanz auffordert. Auch "Ich zieh mich zurück" handelt davon, nicht immer alles mit allen teilen zu wollen und einfach mal "alle Deppen" auszusperren. Im Walzer-Takt verkriecht sich der Sänger in sein Schneckenhaus, ein Glockenspiel und Streicher untermalen die Stimmung. Udo Jürgens swingt im Sarg, wenn die Band im letzten Drittel noch einmal aufspielt und Bamborschke seinen Vortrag intensiviert. Der sich vom Mystischen ins Groovige steigernde Titeltrack fordert dagegen konkret dazu auf, sein dunkelstes "Geheimnis" offenzulegen. Genau dasselbe geschieht auch in "Enfant terrible": Isolation Berlin berichten aus Sicht eines Mannes, dessen Männlichkeit toxischer kaum sein könnte – wobei unklar bleibt, ob Bamborschke nicht doch sich selbst meint, schließlich scheint der Protagonist ebenfalls ein Sänger auf Tournee zu sein.


 


Auch das ein Zeugnis einer guten Entwicklung: Isolation Berlin werden variantenreicher, ohne die Essenz zu verlieren. Den Auftakt bildet mit „Am Ende Zählst Nur Du“ ein fast zärtliches Lied, nur von der Akustischen begleitet und hörbar beeinflusst vom Haberer Nino. Es endet mit „Enfant perdu“ ästhetisch ähnlich gepolt, doch wieder tief im Tal der Tränen von Berlin-Kreuzberg watend. „Dich hat das Publikum geliebt / Doch deine Blüte ist verblüht.“
Wer Element Of Crime mag, mit manchmal einem festen Schlag auf den Kopf, dürfte bei „Geheimnis“ von Isolation Berlin gut aufgehoben sein und das „Geheimnis“ gut bei ihm oder ihr. Groß auch der Schlager zur diesjährigen EM „Ich Hasse Fußballspielen“ und die Ode an eine Urberlinerin „(Ich will so sein wie) Nina Hagen“.


 


Nachdem es auf zwei Alben musikalisch mal rockistisch, mal kunstliedselig rioreisernd zuging, hat die Band nun zu einem minimalistischen Sound gefunden, der die Seelenexegese des Sängers effektvoll abfedert, ohne ihr die Wucht zu nehmen. Isolation Berlin, das ist nun ganz Bamborschke, so wie Joy Division, die Band, die hier am vordringlichsten Pate steht, sich zu dessen Lebzeiten in den Dienst des enigmatischen Ian Curtis stellte (bis sie sich ohne ihn neu erfand).
Es sind bleiche, suizidal grundierte Joy-Division-Songs wie »A Means to an End« oder »Eternal« die im Post-Punk-Äther mitrauschen, wenn sich Schlagzeug (immer vorn, immer antreibend), ein knurrender Bass-Groove oder einzelne, lang gehaltene Orgelakkorde unter die Texte legen, wie das Gleisbett der »fleißigen Straßenbahn«, die Bamborschke im ersten Track vorbeifahren lässt. Er ist der Fahrgast, der immer allein sitzt, das Enfant terrible aus dem gleichnamigen Lied, das sich mal wieder danebenbenommen hat: »Der gestrige Abend schlug mir auf den Magen/ Ich hab ein paar Dinge kaputt geschlagen.«


 


Trotzdem bleibt der Sound reduziert und geht immer nur punktuell in die Vollen. Das führt zu einigen poppigen Momenten und mischt Licht in die grundsätzlich eher düstere Stimmung. Die Band bekommt auf diesem Weg eine Leichtigkeit, die erstaunlich gut zu ihr passt. Besonderes Highlight ist die trotzige Single „(Ich will so sein wie) Nina Hagen“. Hier verschmilzt die eingängige, aber nicht einfältige Melodie mit Tobias Bamborschkes Sinn für feinen Humor. Ließen einen frühere Texte mit ihren gestelzten Reimen schon mal die Augenbrauen hochziehen, schafft er es hier mit wenigen Worten Nina Hagen ein kleines Denkmal zu setzen. Neben der Bewunderung schwingt im Song aber auch die Frustration mit, nicht so mutig und frei wie Nina Hagen zu sein. Um das zu vermitteln, braucht es irgendwann nicht einmal mehr einen zusammenhängenden Text: Wenn Tobias Bamborschke sich in die von Hagen geborgte Nonsens-Zeile „Ein Ufo und ein Boy“ bis zum Schreien reinsteigert, hat das gleichzeitig Tiefe und Humor.


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