Da verkauft eine 23-jährige Australierin das Kölner Palladium aus, ohne ein Album veröffentlicht oder einen Single-Hit...

Tash Sultana - Flow State




















Da verkauft eine 23-jährige Australierin das Kölner Palladium aus, ohne ein Album veröffentlicht oder einen Single-Hit gelandet zu haben (#39 für „Jungle“ in Australien lasse ich nicht zählen - aber was ist mit knapp 25 Millionen Aufrufen auf YouTube?), ohne einen Werbespot musikalisch zu untermalen oder in einer bekannten, mittlerweile aufgelösten Band oder einer TV-Serie gewesen zu sein. Die Nachfrage nach Tickets war offensichtlich so groß, dass am folgenden Tag ein zweites Konzert angesetzt und ebenfalls ausverkauft wurde. Und weil aller guten Dinge wohl tatsächlich drei sind, wiederholte Tash das Kunststück auch am neu hinzugefügten dritten Termin. Jetzt sprechen wir nicht über ein typisch kölsches Phänomen (wie Brings, Kasalla und Konsorten), denn ähnliches ist in Amsterdam, Berlin oder London ebenfalls geschehen und dürfte ziemlich einmalig sein.

Mittlerweile können Fans auch zuhause auf Konzertlänge die Musik von Tash Sultana genießen. „Flow State“ erlaubt sich einerseits den Luxus ihre ersten veröffentlichten Songs aus dem Jahr 2016, u.a. das erwähnte „Jungle“, außen vor zu lassen, und andererseits 13 Titel zu präsentieren, die über eine Stunde laufen. Alle Songs wurden von Tash selbst komponiert, eingespielt und produziert sowie auf dem eigenen Label veröffentlicht. Nicht nur auf der Bühne genügt sich die Musikerin selbst, die ihre Ideen originär umsetzen möchte (und auf dem Album in Jam-artigen Songs zwischen Folk, Reggae, Pop, Blues, R’n’B und Rock wandelt) und zum Beispiel auch darum bittet, in Berichten nur „Tash“ genannt zu werden und Begriffe wie „Er“ oder „Sie“ zu vermeiden, da Tash eine non-binäre Person sei, die sich weder in der Kategorie „Mann“ oder „Frau“ repräsentiert sieht. OhTash!

Ende Dezember wird kein Jahresrückblick an Tash Sultana vorbei kommen, auch wenn dann weniger über „Flow State“ berichtet wird, als über die Konzerterlebnisse, die Tash allein und loopend zwischen zahlreichen Instrumenten und vor massenhaft begeisterten Menschen zeigen werden.


Hört man die Platte und weiß man, was Tash Sultana live für ein Feuerwerk abbrennen kann, fragt man sich, warum die Studioaufnahme so blass geraten ist: FLOW STATE klingt wie ein herkömmliches Reggae-Pop-Album, vor allem die Beats besitzen nirgendwo den Wumms der Live-Shows, wo Sultana auch schon mal Technobretter bastelt. Wenn sie es besonders machen will, wird’s erst recht schwierig: „Seven“ zum Beispiel klingt wie David Guetta unplugged. Tash Sultana pur gibt’s beim fast zehn Minuten langen „Blackbird“, halb inspirierter Psych-Folk, halb handwerkliche Leistungsschau. Die einen rennen Tash Sultana für solche Momente die Türen ein. Die anderen rennen möglichst schnell weg.
(musikexpress)




Alle 15 (!) auf der Platte eingesetzten Instrumente spielt sie selbst, außerdem singt, loopt und beatboxt sie, eine besessene One-Woman-Show, deren Einflüsse laut eigener Aussage von Erykah Badu bis Phil Collins reichen. Und Carlos Santana, möchte man ergänzen, wenn man ihren ausufernden Gitarrensoli lauscht: Sultanas Spiel gehorcht nicht der Spotify-Regel, nach der spätestens nach 30 Sekunden erkennbar sein muss, wohin ein Song steuert. Tash Sultana nimmt sich alle Freiheiten, mäandert vom zarten R’n’B eines „Cigarettes“ über die Erlösungshymne „Salvation“ zum rauschhaften, knapp zehn Minuten langen „Blackbird“, in dem Hörerin und Musikerin beinahe verloren zu gehen drohen.
Zeit, Raum und Genres existieren bei Sultana offenbar nicht: Flow State verströmt blumigen Straßenmusik-Jam-Appeal, als wären Zaz und Sylvia Juncosa in derselben Band unterwegs – und klingt gleichzeitig stellenweise so poliert wie die Hits von Beyoncé. Kein Widerspruch für die Australierin, die jetzt nur noch mit einem klarkommen muss: Dass sie sehr bald sehr berühmt sein wird.
(SPEX)




Mit einer Stimme, die an Tracy Chapman und sogar Asaf Avidan erinnert, hangeln sich die Songs delaylastig von Genre zu Genre und hinterlassen eine wohlige Wärme. "Mellow Marmalade" gehört dabei noch zu den schlichten Exemplaren, in dem vor allem Tashs Stimme in ihrer kratzigen Klarheit im Vordergrund steht. "Harvest Love" hingegen kann man als eine Fortsetzung von "Jungle" oder "Mystik" sehen, mit dem sich Tash den Einstieg in die digitale Berühmtheit gesichert hat.
Die Songs auf "Flow State" sind eher überdurchschnittlich lang, teils schlicht, teils opulent arrangiert. Typische Dreieinhalb-Minüter sind eine große Herausforderung, weil in ihnen oft nicht alles gesagt werden kann, was gesagt werden muss, sagte Tash Sultana mal in einem Interview. Und etwa "Cigarettes" ist tatsächlich ein vielschichtiges, temporeiches Fünf-Minuten Stück, das lässig mit Offbeat-Essenzen beginnt und in kantige Gitarrensoli mündet.
(laut)

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