Das britische Quartett Temples möchte uns zu einer Reise auf die Insel „Exotico“ einladen. Diese liegt in azurblauen Gewässern, hat Strände aus feinstem Sand, kaskadenartige Wasserfälle, tropische Lagunen und eine exotische Tierwelt zu bieten. Zur Begrüßung werden bunt schillerne Cocktails mit Schirmchen gereicht, auf Nachfrage kann sicherlich auch die ein oder andere halluzinogene Droge besorgt werden, denn diesbezüglich sind die Gesetze auf „Exotico“ äußerst entspannt.
Entdeckt wurde „Exotico“ übrigens vor Jahrzehnten von Forschenden um das Team Lennon und McCartney, kartographiert von einer Gruppe um Barrett, Waters und Gilmour. Die Insel geriet anschließend ein wenig in Vergessenheit, wurde aber in den 90ern Dank Crispian Mills und seinen Kollegen wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt und seitdem häufig von u.a. Wayne Coyne, Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser, Tom Rowlands und Ed Simons oder Kevin Parker besucht.
Der Aufenthalt von Temples, bei dem sie von ihrem Produzenten Sean Lennon und Mixer Dave Fridman über die Insel geführt wurden, hat zu ihrem bisher melodiösestem und eingängisgsten Album geführt, aber insgesamt zu lang gedauert, denn das Ergebnis sind 16 Psychedelic Rock/Pop-Songs, die rund 60 Minuten laufen. Über den genauen Standtort der Insel wird übrigens nichts verraten, aber die gelegentlich zu vernehmenden fernöstlichen Klänge geben Anlass zu der Vermutung, dass diese irgendwo in den Weiten des Indischen Ozeans liegen könnte.
„Exotico“ ist als CD, Kassette und Doppel-LP (black Vinyl, yellow with pInk and blue Splatter Vinyl, pink Vinyl, blue coudy Vinyl, blue and yellow Swirl Vinyl) erhältlich.
Geradezu penibel achten James Bagshaw und Tom Walmsley, zwei der vielleicht talentiertesten Songwriter ihrer Generation, auf die präzise Einhaltung des Popsong-Prinzips ABABC, mit Strophe, Bridge, Chorus, C-Teil – noch immer die einzige Ohrwurmformel, und die beherrschen Temples auch auf diesem Album. Nicht selbstverständlich für eine Rock-Band, die sich Psychedelia und dem (Klang-)Exzess verschrieben hat, was bei den weit modernistischer arrangierten Tame-Impala-Werken zu einer Verschiebung weg zu Melodie und hin zu Atmosphäre geführt hat. (…)Die bekannten Motive Bagshaws, seine Fantasien über Raumzeit („Time is a Light“) sowie die Auslotung von Gedankenwelten („Crystall Hall“), stehen weiterhin im Mittelpunkt, aber Temples haben ihr Spektrum erweitert, huldigen den Kriminalfilmmusiken Morricones („Faded Actor“), Westcoast-Jangle („Slow Days“), Schlager („Inner Space“) und Lounge („Exotico“). Der süßliche Klang wird viele ärgern, die Band wohl weiter Hörer verlieren – aber diese vierte Platte ist eine gute Platte. Temples haben ihr hohes Level gehalten.
Doch dafür können die Temples unter Sean Lennons Studioregie die hinlänglich bekannte Formel für ultraharmonische, leicht umnebelte, bunt schillernde Popsongs ausreizen. Ein besonders hübsches Beispiel ist Cicada, das wie eine angeschrägte, exotische Mischung aus indischer Musik und italienischem Filmscore daherkommt. Auch Oval Stones und Slow Days führen Stilelemente zusammen, die unter weniger kundiger Anleitung wohl zu einer wüsten, disparaten Mixtur verkommen wären.Gelegentlich haben Sean Lennon und die Temples ihre Retro-Reise etwas zu schematisch angelegt, aber meist funktioniert sie – etwa im tollen Opener Liquid Air oder in der bis zu den nasalen Vocals konsequenten John-Lennon-Hommage Time Is A Light.
Ich fürchte, ich müsste mir eine andere Insel suchen ... 5,5 Punkte.
AntwortenLöschenAuch meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Weniger wäre hier mehr gewesen... 6,5 Punkte
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