Für ungeschulte Ohren - und das sind in diesem Fall nahezu alle - ist der Unterschied zwischen Walisisch und Kornisch vermutlich nicht herau...

Gwenno - Tresor


Für ungeschulte Ohren - und das sind in diesem Fall nahezu alle - ist der Unterschied zwischen Walisisch und Kornisch vermutlich nicht heraus zu hören. Gwenno Saunders, ehemals Mitglied bei The Pipettes, bleibt sich sprachlich treu und setzt ihren mit „Y Dydd Olaf“ (2014; Walisisch - Kornisch 9:1 Songs) und „Le Kov“ (2018; Kornisch - Walisisch 10:0 Songs) eingeschlagenen Weg konsequent fort. „Tresor“ bietet erneut 10 Songs, die wohl bis auf „N.Y.C.A.W.“, das für „Nid yw Cymru ar Werth“ (= Wales is not for Sale) steht, erneut in Kornischer Sprache vorgetragen werden. Zumindest nehme ich das an (siehe oben). 

„Tresor“ wurde in St. Ives, Cornwall, kurz vor dem COVID 19 Lockdown im Jahr 2020 geschrieben und beschäftigt sich auch thematisch mit dem Rückzug ins eigene Ich und der Isolation. In Gwennos Zuhause in Cardiff wurde es während der Pandemie zusammen mit ihrem Co-Produzenten, musikalischen Mitstreiter und Ehemann Rhys Edwards fertiggestellt. Musikalisch wurden dabei die Genre Dreampop, Retro-Psychedelic-Pop, Folklore, Indiepop und Krautrock einbezogen. „Tresor“ bedeutet übrigens, so viel Übersetzungsarbeit aus dem Kornischen muss dann doch sein, so viel wie „Schatz“. Ob „Tresor“ auch für den ein oder anderen Plattenrichter zu einem Schätzchen wird? 

Tresor“ erschien Anfang Juli über Heavenly Records als CD und LP (black Vinyl).


 


„An Stevel Nowydh“ eröffnet das Album mit federleichtem Psych-Pop-Vibes. Die spitzen E-Gitarren in „Anima“ erinnern an die „Soundtracks“ von Can – und auch das siebenminütige „Ardamm“ kommt mit motorischem Krautrock-Groove daher.
Im Kontrast zu den Retro-Klängen stehen die stark im Hier und Jetzt verwurzelten (und durch die Sprachbarriere natürlich nicht so leicht zugänglichen) Texte: Songs wie der Titeltrack „Tresor“ oder „Tonnow“ sind feministische Meditationen, während „N.Y.C.A.W.“ eine Kampfansage an die Gentrifizierung ihrer Heimat Wales ist. Diese einst totgesagte Sprache ist für Gwenno nur ein Medium, um äußerst lebendige Musik zu machen.


 


Gwenno schafft es auf Tresor, so viele verschiedene Einflüsse zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk zu verbinden. Gleich bei den ersten Tönen merkt man, dieses Album ist anders: Nicht nur sprachlich, sondern auch musikalisch erschafft sie eine einzigartige Klangwelt jenseits des Profanen, die fremdartig und entrückt und doch betörend und verführerisch ist. Man könnte sich zu diesem Album nachts auf einem Festival ins Universum hineindenken oder auf einer Sonnenwendfeier um das Lagerfeuer tanzen. Man kann nur hoffen, das Gwenno und ihre Musik – genauso wie die seltenen Sprachen und die Geschichten der kleinen, speziellen Communities, die sie besingt – uns noch lange erhalten bleiben.


 


Weniger Beach House, mehr Retro: Wie ein Stück lässiger, verruchter 60s-Pop wirkt etwa der Titeltrack mit seinem eiskalten Groove und den Synth-Streichern. “Anima” ist dafür ein simpler Psych-Track, der auf den ersten Blick unaufgeregt vor sich hin plätschert, mit seinen hypnotischen Melodien jedoch schnell verzaubert.
Danach entpuppt sich “Tresor” allerdings als unzugänglichstes der drei Gwenno-Alben, denn zwischen den poppigen Sequenzen schieben sich düstere Wave-Momente, kurze Post-Punk-Ausflüge und wie in “Men An Toll” manchmal einfach nur synthetische Soundfetzen, die sich unaufhaltsam ins Hirn bohren.
Und auch wenn Saunders weiterhin nicht den Weg des massentauglichen Allerwelts-Pop wählt, um ihre Muttersprache in die Welt zu bringen, so ist sicher, dass “Tresor” mit seinen komplex und bedacht aufgetürmten Songs viel Anerkennung für die künstlerische Leistung einheimsen wird.
Es fasziniert, die Sängerin beim Entdecken und Erkunden der eigenen Identität durch musische Mittel zu begleiten und die Entwicklungen direkt im Gehörgang mitzuerleben – auch ohne Kornisch sprechen zu können.





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