Ein gutes Jahr für Freunde der kanadischen Musik: Nach „WE“ von Arcade Fire und „From Capelton Hill“ von Stars ist nun auch ein neues Stud...

Metric - Formentera


Ein gutes Jahr für Freunde der kanadischen Musik: Nach „WE“ von Arcade Fire und „From Capelton Hill“ von Stars ist nun auch ein neues Studioalbum von Metric erschienen. Dabei erklären Emily Haines (Gesang, Keyboards), James Shaw (Gitarre), Joules Scott-Key (Schlagzeug) und Joshua Winstead (Bass) jedoch per Albumtitel eine kleine Insel in der Nähe von Ibiza zum Ziel ihrer Träume, denn diese entdeckten sie in einem Reiseführer in ihrem Aufnahmestudio in Toronto, als Fernreisen tatsächlich in weiter Ferne lagen.

„Formentera“ wird höchst ungewöhnlich eröffnet: „Doomscroller“ ist eine zehnminütige und mehrteilige Elektro-Rock-Oper, in der sich gehauchter Sprechgesang, technoide, gaga Boller-Beats, Piano-Balladen-Teil und pathetisches Gitarren & Mitsing-Finale vereint werden. So experimentell hat man Metric auf ihren vorherigen sieben Alben noch nicht gehört, obwohl die Band im Verlauf ihrer Geschichte vermehrt auf elektronische Sounds gesetzt und damit vermutlich den ein oder anderen Rock-Puristen verschreckt haben dürfte. Danach gelingt dem Quartett die Verbindung aus New Wave, Synth-Pop und Indierock vorhersehbarer und wie gewohnt eingängig. Die temporeichen „All Comes Crashing“ und „What Feels Like Eternity“ wurden zurecht als Vorboten aus dem Album veröffentlicht. Das abschließende „Paths In The Sky“ wäre für mich jedoch der beste Kandidat für diesen Job gewesen. Der entspannte Titelsong hätte mit seinen schwelgenden Streichern auch gut auf „Behaviour“ von den Pet Shop Boys gepasst.

Während „Formentera“ bereits als CD und Download zu haben / hören ist, muss man sich für die Schallplatte noch gedulden: Erst Ende September werden black, cobalt blue und natural Vinyl erhältlich sein.




 


Musikalisch sind Metric auf „Formentera“ abwechslungsreicher denn je. Mal entspannt, dann wild und rockend. „Enemies Of The Ocean“ fliesst gemächlich vor sich hin, während „What Feels Like Eternity“ ein 90s-inspirierter Synthie-Rocker ist. „False Dichotomy“ ist gut gelaunter Indie-Pop mit kitschigen Keyboards und sympathischen Melodien, das verspielte Rock-Brett „Oh Please“ zeigt uns Emily Haines in Höchstform. Dann ist da der epische Opener „Doomscroller“! Mit über zehn Minuten Spielzeit ist der fantastische Song wie nichts, was wir je von Metric gehört haben.
Den Texten merkt man an, dass die mitunter düstere Weltanschauung der Band von der Realität eingeholt wurde. Häusliche Gewalt, das Aussterben von immer mehr Tier-Spezies, Flüchtlingsströme oder die ausser Kontrolle geratene Polizeigewalt in den USA sind nicht mehr nur dunkle Fantasie, sondern trauriger Alltag. Trotzdem haftet jedem Song ein wundervoll versöhnliches Gefühl an: „Whatever you do, either way we’re gonna love you.“ So dunkel die Zukunft auch scheint, solange wir Menschen zusammenhalten, besteht die Chance, dass alles gut wird. Diese liebevolle Hoffnung ist es schlussendlich, die Metric effektiv vermitteln und die „Formentera“ zu einer hervorragenden Platte macht.




 


Rein kommen wir in das Album mit einem „Doomscroller“, der über die Strecke von zehn Minuten technoide Beats und Pop-Pathos mitnimmt, in einer Dosis, mit der man Touristendiscos zum Wackeln bringt. Auf „What Feels Like Eternity“ verleihen Metric ihrem Power Pop ein paar Extra-Muskeln und schütten die „Uhuhuhs“ aus der Bestenliste für ewige Ohrwürmer drüber – hier geht’s immer wieder programmatisch an die Schmerzgrenze. Alternativ die Orchester- und Keyboard-Dröhnung im Titeltrack, verbunden mit der dringlichen Frage: „Why not just let go?“ Zum Runterkommen ein finaler melancholischer Heuler: „Paths In The Sky“. Metric pendeln zwischen Eskapismus und Party auf der einen und Selbstheilung auf der anderen Seite.


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