Als ich 1984 im Fernsehen sah, wie bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spielen in Los Angeles ein Mann mit einem Jet-Pack ins Stadio...

We Were Promised Jetpacks - Enjoy The View


Als ich 1984 im Fernsehen sah, wie bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spielen in Los Angeles ein Mann mit einem Jet-Pack ins Stadion flog, dachte ich, dass sich in der weit entfernten Zukunft viele Menschen so fortbewegen würden. Hollywood versprach ein Jahr später auch noch das Hooverboard und konkretisierte das Zukunftsdatum: 2015.

Diese Zukunft ist mittlerweile Vergangenheit und wir bewegen uns im Jetzt weder mit schwebenden Skateboards noch mit Raketenrucksäcken durch die Gegend. 

Auch schon ein paar Tage in der Vergangenheit liegt bereits die Veröffentlichung des fünften Albums von We Were Promised Jetpacks: „Enjoy The View“ erschien am 10. September und stieg in den schottischen Charts auf Platz 17 ein - der bisher größte Charterfolg für die zu einem Trio geschrumpfte Band in ihrer Heimat. Auf den 10 Songs präsentieren sie ihren gewohnten, leicht zu identifizierenden Indierock („Nothing Ever Changes“, „If It Happens“) mit sparsamen Post-Rock-Ausbrüchen („I Wish You Well“), wenn auch häufiger im Tempo reduziert („What I Know Now“, „Not Me Anymore“, „Just Don’t Think About It“) oder weniger druckvoll und mit 80s-Referenzen versehen wie bei meinem persönlichen Favoriten „Fat Chance“. Das Album ist Freunden von Foals, The Twilight Sad oder Frightened Rabbit zu empfehlen.
Schallplatten-Freunde könnten alternativ zu black Vinyl auch zu red/blue Vinyl, aqua Vinyl oder orange Vinyl greifen. 

Die Plattenkritiker halten „Enjoy The View“ für keinen besonderen Genuss: Bei Metacritic steht das Album aktuell bei 72/100 Punkten, die - gemeinsam mit dem Debütalbum - schlechteste Wertung für We Were Promised Jetpacks. Jedoch erzielten Adam Thompson (Gesang, Gitarre), Sean Smith (Bass) und Darren Lackie (Schlagzeug) bisher mit keiner ihrer Platten mehr als einen Durchschnittswert von 77/100. 


 


Um nicht untätig herumzusitzen, entschlossen sie sich dazu, quasi aus dem Homeoffice an einem Nachfolger zu „The More I Sleep The Less I Dream“ zu arbeiten.
Vielleicht wird das neue Album deshalb von einer nostalgischen, oft träumerischen Grundstimmung beherrscht. Das Schöne daran ist aber, dass die Band es schafft, dabei nicht in übertriebenen Weltschmerz abzudriften.
Ein gutes Beispiel dafür ist „Don’t Hold Your Breath For Too Long“, ein Song mit einer gewissen Schwermut, der trotzdem dynamisch bleibt.
Auch „Nothing Ever Changes“ hat zwar einen ziemlich defätistischen Titel, kommt klanglich aber an manchen Stellen fast schon aggressiv rüber.
“Blood, Sweat, Tears” ist ein Stück, das lange im Gedächtnis bleibt – und das nicht nur wegen des martialischen Titels, sondern vor allem wegen seiner eingängigen Melodie.


  


Gänzlich überraschend kommen die doch reife Entwicklung und die immer klarer gezogenen Konturen einer Band, die mehr Öffnung im Sound wagt, mehr Detailreichtum zulässt, angesichts der Vorgänger-Alben natürlich nicht. Man wird im Falle von "Enjoy the view" unter Umständen dennoch hier und da etwas Energie und Wucht vermissen, wegen der man etwa zu "Quiet little voices" auf so manchem Indie-Rock-Floor Schweißtropfen en masse produzierte. Mit ein bisschen Muße und Aufmerksamkeit jedoch honoriert man die aktuelle Strahlkraft dieser Band und staunt, etwa über die funky Melancholie von "Blood, sweat, tears" – Foals klatschen sicherlich Applaus. Vieles verändert sich, Vieles ist vergänglich. Doch, und das gilt auch für den repetitiv angerichteten Closer "Just don't think about it", der Post ohne Rock zelebriert: Innere Schönheit und Vertrautheit bleiben.


 


We Were Promised Jetpacks (möglicherweise) in Deutschland:
09.02.22 Köln, Luxor
10.02.22 Hamburg, Uebel & Gefährlich
11.02.22 Berlin, Gretchen
12.02.22 München, Ampere/Muffatwerk
14.02.22 Saarbrücken, Garage Kleiner Klub
16.02.22 Wiesbaden, Schlachthof
22.07.22 Aachen, Musikbunker
24.07.22 Dortmund, FZW

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