Wenn Lingby von Linus Volkmann mit „Waldhorn-Pop“ beschrieben werden, dann ist es nur folgerichtig, wenn das Kölner Quartett auch mit Bläsern in ihr neues Album „Silver Lining“ einsteigt. Jedoch bläst die Band nach mehrjähriger Ruhepause nicht „La Charge“, als zur Attacke, sondern lässt eher das Halali oder einen Zapfenstreich erschallen. Grund hierfür sind Krankheit, Tod und Verlust ihres Vaters, den Judith und Carmen Heß erleiden und verarbeiten mussten.
Im Vergleich zum Vorgänger „Twist And Turn“ (2015) hat sich bei Lingby einiges getan, denn das Konzeptalbum, dass Trauer zum „Leidmotiv“ werden lässt, wurde erstmals von Judith Heß allein komponiert und eingesungen, Willi Dück, sonst auch als Songwriting und Sänger aktiv, beschränkt sich hauptsächlich auf Bass und Gitarre. Erstmals produzierte die Band auch selbst ein Album, auch wenn mit Olaf Opal (u.a. The Notwist) ein erfahrener Studiotüftler fürs Mischen gefunden wurde.
Mit „Morning Prayer“ steht der rockigste und sich in Richtung Shoegaze entwickelnde Song der Platte gleich am Anfang und stellt vielleicht, da auch Willi Dück eine Strophe singt, so etwas wie ein Bindeglied zum Vorgänger dar. Danach bestimmen auch elektronische Rhythmen und triphopige Beats den neuen Lingby-Sound, so dass „Surrender“ oder „Noplace“ an Massive Attack bzw. Portishead denken lassen. Das zerbrechlich beginnende und sich langsam steigernde „You“ lässt an nordeuropäische Künstlerinnen wie Björk oder Fever Ray (noch ausgeprägter bei „Composure“) denken.
„Silver Lining“ ist teilweise sehr bewegend, so dass, wie im Video zu „Heaven“ zu sehen, auch der Zuhörer bei noch offenen, nicht verheilten Wunden, zu Tränen gerührt wird:
Was „Silver Lining“ so spannend macht, ist sein Facettenreichtum. Da wäre beispielsweise das herrlich reduzierte „Heaven“, eine leichtfüßige und doch so nachdrückliche Abhandlung über das Leben nach dem Leben, falls es denn ein solches geben sollte. Dass es direkt danach mit „Redeem The Day“ richtig schön laut, stellenweise sogar schrill wird, passt ins Bild. Als Herzstück dieses Albums erweist sich jedoch „Noplace“, nicht nur aufgrund der ausladenden Spielzeit. In knapp sieben Minuten treffen düstere TripHop-Vibes auf feinsinnigen Electro-Pop und schroffe, aufbrausende Blechbläser. In Zeitlupe eskaliert der Track, die singende Gitarre trägt ihr Übriges dazu bei.
Keine einfache, wohl aber eine lohnenswerte Platte: „Silver Lining“ türmt Schicht auf Schicht und entwickelt sich damit zur Grenzerfahrung. Bis sich die einzelnen Elemente einigermaßen ‚häuten‘ lassen, vergeht schon der eine oder andere Durchlauf. Lingby erobern auf Raten – zuerst greifen die bewegenden Texte, dann die beklemmende Stimmung, dann die faszinierende Melange aus Elektronik, Indie-Handarbeit und entfremdeter Blasmusik. Hat das Album erst einmal zugepackt, lässt es nicht mehr los; schon wäre die nächste Lieblingsband entdeckt.
(Beatblogger)
„Silver Lining“ erscheint am 22. Februar 2019 auf Klaeng Records (auch auf Vinyl) und Lingby starten heute mit ihrer Tournee (weitere Termine folgen):
21.02.19 Köln, Artheater (mit Alpentines)
24.02.19 Münster, Pension Schmidt
01.03.19 Hamburg, Astrastube
02.03.19 Bremen, Tau (mit Alpentines)
03.03.19 Offenbach, Hafen 2
06.03.19 Stuttgart, Galao
07.03.19 Darmstadt, Schlosskeller
08.03.19 München, Heppel & Ettlich
25.04.19 Berlin, Monarch
26.04.19 Chemnitz, Aaltra
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