Ich habe Sin Fang bisher zweimal live gesehen: 2012 mit Begleitband im Wiesbadener Schlachthof und 2013 solo beim Waves Vienna Festival in Wien. Dort habe ich ihn zunächst gar nicht erkannt, was nicht nur den eingesetzten Nebelmengen zuzuschreiben war. Denn im Gegensatz zu regulären Konzerten verzichtete Sindri Már Sigfússon auf den Einsatz traditioneller analoger Instrumente und ersetzte diese durch Synthesizer, Klapprechner und irgendwelche Gerätschaften mit Knöpfchen, an denen sich herrlich drehen ließ. Durch die elektronisch-digitale Umsetzung waren die Songs von Sin Fang nur schwer zu identifizieren, so dass ich den Isländer später am Merchandise-Stand für einen Konzertbericht (Wiesbaden: hier, Wien: hier) auf die Setliste, die er belustigt in meinen kicker schrieb, ansprechen.
Warum mir dieses Ereignis beim Hören von "Spaceland" wieder in den Sinn gekommen ist? Weil sich Sin Fang auf seinem vierten Album gänzlich von seinen vorherigen Platten löst, alle Folk-Verbindungen kappt und, begleitet von Jónsi ("Candyland"), Sóley ("Never Let Me Go"), Jófríður Ákadóttir von Pascal Pinon ("Down") und der Norwegerin Farao ("X.O.R."), auf zeitgenössischen Pop-Pfaden im Spannungsfeld zwischen R&B und Elektro wandelt.
Selbsttherapie genießt in Zeiten des Internets - mit Selbsthilfeforen, Selbstmedikation und Heimapotheke - aus medizinischer Sicht oft einen schlechten Ruf. In der Kunst ist der kathartische Ausdruck das kreative Moment schlechthin. Wenn also der Isländer Sindri Már Sigfússon sein neues Album "Spaceland" als "self-therapy" beschreibt, ist das eigentlich nicht neu. In musikalischer Hinsicht ist diese Heilung aber abenteuerlich: Sin Fang verabschiedet sich von erdigem Singer Songwriter-Folk und ergründet seine persönlichen Abgründe mit R'n'B, Beats und Bässen.
(br)
Die treibenden Beats klingen wie mit einer dünnen Eisschicht überzogen, die Hi-Hats kristallklar und die süßen Melodien klirren zerbrechlich und wunderbar vor sich hin, so eisig ist »Spaceland« produziert.
Die endgültige Abwendung Sin Fangs von analogen Instrumenten war eine vorauszusehende Entwicklung. Dass diese Hinwendung zur rein elektronischen Produktion so wunderbar und spielerisch gelingt, liegt auch an den Gästen: Der Opener »Candyland« wird nicht zuletzt wegen Jónsis Gast-Part zum frühen Highlight des Albums; »Never Let Me Go« wandelt Seabear-Kollegin Sóley zum wunderbaren Liebes-Duett um und das vertrackt geloopte »Please Don’t« bietet den intimsten Moment des Albums, wenn die Norwegerin Farao und Sin Fang zusammen singen: »I saw your face in the melting snow«.
(intro)
5,5 Punkte
AntwortenLöschen6 Punkte
AntwortenLöschenSo richtig mag ich ihm nicht ins "Spaceland" folgen. 6,5 Punkte
AntwortenLöschenDas letzte Album war um Längen besser
AntwortenLöschen5,5