Unter der nicht ganz blickdichten Textilie verbirgt sich Janet Farrar, eine britische Lehrerin, Autorin und Wicca-Anhäng...

Unknown Mortal Orchestra - II


















Unter der nicht ganz blickdichten Textilie verbirgt sich Janet Farrar, eine britische Lehrerin, Autorin und Wicca-Anhängerin. Wicca ist eine neureligiöse Bewegung, die sich selbst als eine wiederbelebte Naturreligion und als Mysterienreligion versteht. Die meisten Anhänger bezeichnen sich selbst als Hexen.   

Unter dem Bandnamen Unknown Mortal Orchestra verbergen sich der in Neuseeland geborene Sänger, Gitarrist und Komponist Ruban Nielson und seine amerikanischen Mitstreiter Jake Portrait (Bass) und Riley Geare (Schlagzeug).

Ganz ohne Hexerei erregte Ruban Nielson 2010 über den Song "Ffunny Ffrends" auf seiner Bandcamp-Seite die Aufmerksamkeit zahlreicher Blogger und erhielt im folgenden Jahr als Unknown Mortal Orchestra sehr gute Kritiken für das Debütalbum gleichen Namens.

Für ihr zweites Album, das schlicht "II" betitelt ist, unterschrieb das Trio nun bei Jagjaguwar und huldigt nicht Wicca-Gottheiten wie Gaia, Aradia und Cernunnos, sondern der Psychedelic-Rock-Helden der 60er und 70er Jahre, also The Beatles, Soft Machine und Pink Floyd zu Syd Barret-Zeiten.  

Hier gibt es als Einstimmung das Video zu "So Good At Being In Trouble":


Elegant und anmutig füllt der Opener den Raum und inszeniert dabei eine verkaterte Goldgräberstimmung. Kurz darauf geht es behäbig in den Weltraum. “I wish that I could break and bend like the world does“, singt Nielson zwischen New Wave-Bögen und analogem Bandrauschen in dem schönsten Stück Lo-Fi Pop des jungen Jahres. Die im Falsetto vorgetragene R&B-Hommage “So Good At Being In Trouble“ mag als Singleauskopplung befremdlich erscheinen, tanzt der subtile Stampfer in der Summe der pyrotechnischen Zeitrafferaufnahmen doch merklich aus der Reihe. Wenn mit “The Opposite of Afternoon“ und “Monki“ die Krautrock-Darkrooms betreten werden, ist das Unknown Mortal Orchestra allerdings wieder zuhause angelangt. “Faded In The Morning“ führt in den Irrgarten jener halluzinogenen Wände, an denen sich schon Syd Barrett schlimm den Kopf aufgeschlagen hat. Ehe das Schattenspiel mit “Secret Xtians“ im Kaleidoskop-Rummel eines bunten Magie- und Mysterientheaters mündet, werden den aus unerwarteten Ecken stierenden Dämonen noch einmal die Fratzen vom Kopf gerissen.

Befreit von Vintage-Effekten und konzeptuellen Rahmungen sprechen die Songs für sich. “II“ beinhaltet alles, was man von der Band schon lange gelesen, sich aber nie zu erwarten getraut hat. Es ist ein rundherum gelungenes, experimentelles, schwarzbuntes Indie-Kleinod, das von vielen verpasst und von einigen zur Platte des Jahres erkoren werden wird.
(The Gap)

Und noch eine akustische Version von "Swin And Sleep (Like A Shark)" aus den "Fly Sessions":


‘From The Sun‘ purzelt mit repetitiv-krautigem Rhythmus und verzauberndem Gitarrengeplänkel direkt aus einem Zeitloch, klingt vollkommen ungeniert nach Beatles und Lennon und damit fantastisch, Nielson leidet: “I’m so lonely but I can never quite reach the phone/ I’ve gotta eat my popcorn all alone/…/ Isolation can put a gun in your hand.” und nimmt damit die lyrisch weitaus dunklere Fahrtrichtung vorweg, die ‘II‘ im Gegensatz zu seiner gedämpft-fröhlichen Musik einschlagen wird. “I wish I that I could swim and sleep like a shark does/ I’d fall to the bottom and I’d hide til the end of time/ In the sweet cool darkness/ Asleep and constantly floating away” heißt es da etwa – und das Schlagzeug galoppiert währenddessen unaufhaltsam dahin, die Gitarre perlt – so zu hören im verträumten Beinahe-Pophit und treibenden Singleschmuckstück ‘Swim and Sleep (Like A Shark)‘. Noch intensiver wird die an der Kante zur Depression schwelgende Melancholistimmung nur im umwerfend schwammigen Motown-R&B ‘So Good At Being In Trouble‘: “Now that you’re gone/ It’s been a lonely, lonely time/It’s a long, sad lonely time“.

Die Produktion watet dabei stets durch einen analogen Sumpf, die man derart kompromislos wohl nur grandios stilecht oder richtig mies finden kann: die Musik scheint aus dem Nebenraum zu kommen, der Gesang direkt aus einem alten Transistorradio zugeschaltet zu sein, wo die Bläser im groovenden Wah-Wah-Rocker ‘One at a Time‘ plötzlich herkommen weiß niemand. Nach dem eröffnenden Feuerwerk nimmt sich das Unknown Mortal Orchestra aber ohnedies das Recht in andere Sphären auszufransen: ‘No Need For A Leader‘ ist ein schillernder Twist, zu cool zum Tanzen ist, so sexy und stilvoll wie unnahbar. Oder Nielson macht im überlangen ‘Monki‘ einen auf mit Downern ruhig gestellten Robert Plant, seine Band pluckert gutmütig daneben her. Ob ein Song hier 7 Minuten oder nur knapp eine läuft macht dann längst keinen Unterschied mehr, ‘II‘ fließt in seinem trippigen Strom schlicht dahin ohne zu plätschern, der klare Blick verschwimmt vor der Lomo-Kamera im Farbenrausch. Ob ein konkreterer Zug zum Tor der Platte gut getan hätte oder nur geschadet, darüber sollte in diesem Zustand wohl niemand mutmaßen müssen. Dass das schrulligere Unknown Mortal Orchestra hiermit ähnlich durch die Decke geht wie die australischen Kollegen bleibt abgesehen davon generell zu bezweifeln. Kampflos überlassen wird Tame Impala das Scheinwerferlicht jedenfalls nicht – selbst wenn ‘II‘ in erster Linie und jeder Hinsicht passiver Widerstand ist.
(Heavy Pop)

Unknown Mortal Orchestra in Deutschland:

12.05.2013 Frankfurt, Zoom
13.05.2013 München, Strom
14.05.2013 Köln, Luxor
20.05.2013 Hamburg, Prinzenbar

3 Kommentare:

  1. In manchen Momenten bin ich froh und dankbar, den originalen 70er Jahre-Rock nicht selbst als Musikhörer miterlebt zu haben.

    6 Punkte

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