Dionysos, der griechische Gott des Weins, ist nicht gerade erfreut über das neunte Studioalbum von Dead Can Dance. Es schmeichelt ihm zwar, dass Lisa Gerrard und Brendan Perry dieses nach ihm benannt haben, jedoch torpediert es seine last.fm Statistik. Jedes Mal, wenn er - dessen Lieblingslieder, so viel sei hier verraten, weiterhin unangefochten „Griechischer Wein“ und UB 40s „Red Red Wine“ sind - „Dionysus“ hört, werden nur 2 Titel „gescrobbelt“, da alle digitalen Versionen des Albums trotz einer Laufzeit von 36 Minuten und 7 „Tracks“ so unterteilt sind.
Denn „Dionysus“ ist als Oratorium mit zwei Akten konzipiert, das sich mit Riten und Rituale auseinandersetzt, die auch heute noch vom griechischen Gott beeinflusst werden. Neben der thematischen Verankerung in der Vergangenheit, spiegelt sich diese auch in den folkloristischen Rhythmen und fremdartig wirkenden Chor-Gesängen wieder, erklingen traditionelle Musikinstrumente und dienen Feldaufnahmen, darunter ein Ziegenhirt in der Schweiz, Bienenstöcke aus Neuseeland und Vogelrufe aus Mexiko und Brasilien, als verbindendes Element und manifestieren einen Höreindruck zwischen atmosphärischer Avantgarde und esoterischer Weltmusik.
Sind denn die Plattenkritiker erfreuter über „Dioysus“ als der griechische Gott? Sind sie, auch wenn Freude, Begeisterung oder gar Ekstate, für die Dionysos ebenfalls zuständig ist, sicherlich anders klingen:
DIONYSUS ist ein besonderes Album, weil Mastermind Brendan Perry – eine Art Nick Cave für „Game Of Throne“-Fans – und Gerrard zunächst gar nicht singen. (…) Im ersten Akt ist die Platte eine fröhlich-transzendente, exotisch-heidnische Erntedank-Party mit Chorgesängen und Tiergeräuschen.
Erst Akt II führt die beliebten Stimmen ein, bei „The Mountain“ singen Gerrard und Perry zusammen, die Fans atmen auf, weil Trennungsgerüchte die Runde gemacht hatten. Auch der sonderbare Frauenchor der Mystery Voices of Bulgaria (mit dem Gerrard zuletzt ein eigenes Album aufgenommen hat) ist zu hören, dazu Dutzende seltsame Instrumente sowie Sprachen, die klingen, als erfinde ein Kleinkind einen geheimnisvollen Fantasieslang. Was fehlt, sind die bittere Kälte des Mittelalters und der Nebelkitsch. Für einige Hörer werden Dead Can Dance damit jetzt erst interessant.
(musikexpress)
Der Dionysus-Kult scheint also wie gemacht für Dead Can Dance, die schon immer mit ethnischen Stilen spielten, mittelalterliche Klänge genauso in ihrem einzigartigen Sound verwoben wie Neoklassik oder Gothic Rock. Und Lisa Gerrards tiefe wie klare Stimme wird von den Fans sowieso als göttlich bezeichnet.
Musikalisch klingt "Dionysus" trotz seiner vielen Anleihen bei orientalischer wie osteuropäischer Musik sehr vertraut und fügt dem Werk der Band, die seit den frühen 80er Jahren unterwegs ist, keine wirklich neuen Facetten hinzu. Dead Can Dance verlieren sich im vielmaschigen Weltmusik-Prinzip und verlieren ihre Fähigkeit zwingende Melodien zu kreieren.
(Tonspion)
Wer nunmehr den Eindruck bekommt, dies alles klinge eher nach einem Soloalbum Perrys als nach glorreichen Zeiten musikalischer Partnerschaft auf Augenhöhe, liegt bedauerlicherweise richtig. Lisa Gerrard verkommt auf den gerade einmal 36 Minuten zur bloßen Staffage. Ihre große Stärke, aus dem Hintergrund ein instrumentales Geflecht zu erobern und zu durchströmen (wie einst bei "Within The Realm Of A Dying Sun"), degradieren DCD weithin zur Nebenrolle einer besseren Backgroundsängerin.
Das wäre akzeptabel, sofern die Methode im Dienste großer Musik stünde. Die Wahrheit fällt indes ernüchternd aus. Es gibt weit und breit kein einziges Stück, dass auch nur entfernt an des Duos songwriterische wie melodische Stärken anknüpft.
(laut)
Dead Can Dance werden für fünf Konzerte nach Deutschland kommen, drei der fünf Shows sind jedoch bereits ausverkauft. Ob es am Merchandise-Stand auch die perlenbestickte Masken der Huicholen, die aus der Sierra Madre Occidental in Mexiko stammen, geben wird, die auf dem Plattencover abgebildet ist?
16.05.19 Berlin, Tempodrom (ausverkauft)
17.05.19 Berlin, Tempodrom (ausverkauft)
16.06.19 Frankfurt, Alte Oper (ausverkauft)
18.06.19 Bochum, Ruhrcongress
19.06.19 Bochum, Ruhrcongress
1987 habe ich mir "Within the Realm of a Dying Sun" als Schallplatte bei Saturn in Köln gekauft. Bis heute hat sich mir die Welt von Dead Can Dance aber noch nicht so richtig erschlossen.
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