Nach „No Blues“ (2013) legten die Los Campesinos! ihre Band erst einmal auf Eis und kümmerten sich um ihre Ganztagsjobs. 2016 fiel irgendjemandem auf, dass sich die Bandgründung zum zehnten Mal jährte, die Idee für ein sechstes Album entstand und man klopfte die Möglichkeiten ab. Über den Zeitraum von viereinhalb Wochen wurden in Fridão, einem 900 Seelen-Örtchen in der Nähe von Amarante, die Aufnahmen von „Sick Scenes“ fertig gestellt, auch wenn die meisten Mitglieder der Los Campesinos! immer nur zeitweise in Portugal weilen konnten. Als Produzent konnte selbstverständlich erneut John Goodmanson (Death Cab For Cutie, Sleater-Kinney, Nada Surf) gewonnen werden, der, bis auf das Debütalbum, alle Alben der Band betreut hatte, auch wenn leider keines an „Hold On Now, Youngster…“ heran reichen konnte.
„Sick Scenes“ auch nicht, obwohl die Kritiken alle positiv ausfallen, weil es natürlich wieder Fußball-Referenzen („Renato Dall’Ara (2008)“), packenden Indierock („I Broke Up In Amarante“), überraschend akustischen („The Fall Of Home“) sowie eingängigen Indiepop („5 Flucloxacillin“, „For Whom The Belly Tolls“) gibt und natürlich jeder dieses schräge, walisische Septett ins Herz geschlossen hat.
Der Song »I Broke Up In Amarante« ist nicht nur lyrisch – die unausweichlichen Verbindungen zwischen den banalen und existenziellen Unwägbarkeiten des Lebens –, sondern in seiner Pop-Euphorie auch musikalisch paradigmatisch für das Gesamtwerk der walisischen Band: euphorisch verspielter Indie-Pop mit Gitarren, Glockenspiel und Synthie. Immer mit dem Willen zur großen Geste, dabei stets charmant. Okay, manche Momente mag man zu pathetisch finden, wie schon in der Vergangenheit schrammt auch auf »Sick Scenes« manches knapp am misskittyesken Kinderlied vorbei. Es sind aber schlichtweg zu viele tolle Popsongs dabei, um sich ernsthaft daran stören zu können. Am stärksten ist die Platte im letzten Drittel: »Got Stendhal’s« hätte anders produziert auch Lorde oder Rihanna gut zu Gesicht gestanden, »For Whom The Belly Tolls« ist ein mächtiger Indie-Pop-Hit mit der üblichen übersteuerten Soundästhetik, »Hung Empty« der übercatchy Twee-Pop-Closer.(intro)
Das Studioalbum „Sick Scenes“ als Gesamtkunstwerk nun ist gepflegter Indie-Studenten-Rock der alten Schule, ohne große Höhen und Tiefen und plätschert zeitweise vor sich hin, ohne die Songs wirklich als schlecht gemachte Musik titulieren zu können. Man könnte der Band eher vorwerfen, dass sie es nicht wirklich schafft, das Ganze in einer einzigartigen Form abzurunden, obwohl sie in vielen Arrangements Potential dazu gehabt hätten. Und so ist „Sick Scenes“ zusammenfassend ein Album geworden, was okay, aber nicht wirklich mitreißend daher kommt und eher dazu geeignet ist, es beim Kochen als Hintergrundmusik laufen zu lassen, als dass es in den Indie-Rock-Himmel aufsteigt.Wer aber den Kontext des Nebenbei-Indie-Rocks mag, es muss ja auch nicht immer anspruchsvoll sein, der sollte als Einstieg in Los Campesinos! am besten mit der ersten Singleauskopplung des Albums „I Broke Up Amarante“ beginnen, die als einer der stärksten Songs von „Sick Scenes“ aufwartet.(Sounds and Books)
7,5 Punkte
AntwortenLöschenSo gut waren die Los Campesinos lange nicht. 7,5 Punkte
AntwortenLöschenSchlecht waren sie aber auch noch nie. 8 Punkte
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