Beim Blick auf das Plattencover von "Synthia" muss man den australischen Jezabels, die einen Hang zur biblischen (Bandname) und mythologischen (Albumtitel) Namensfindung haben, beinahe prophetische Fähigkeiten attestieren. Denn nur wenige Wochen vorm Erscheinen ihres dritten Albums und einer anstehenden Welttournee musste das Quartett alle Konzerte absagen, da sich Keyboarderin Heather Shannon, bei der vor drei Jahren Krebs diagnostiziert wurde, einer entsprechenden Behandlung unterziehen musste und nicht in der Lage war Sydney zu verlassen.
Der Albumtitel, eine Kombination aus "Synthesizer" und "Cynthia", dem Beinamen der griechischen Göttin Artemis, zeigt bereits an, dass Nik Hayley Mary (Gesang), Heather Shannon (Keyboards), Kaloper (Schlagzeug) und Sam Lockwood (Gitarre) musikalisch neue Wege einschlagen. Denn Heather Shannon, die sich im Verlauf der letzten Jahre zahlreiche Retro-Synthesizer angeschafft hatte, lässt den modifizierten Klang der Band von diesem Instrument dominieren. Erinnerungen an den Sound der 80er Jahre werden wach und durch Äußerungen der Sängerin Hayley Mary, die den Bandnamen u.a. auch auf Cyndi Lauper bezogen haben möchte, unterstützt.
Eingebettet ist "Synthia" in zwei epische Songs ("Stand And Deliver" und "Stamina"), die beide die 7-Minuten-Marke durchbrechen. Treibende elektronische Beats prallen auf wuchtige Gitarrenwellen, schmachtende Balladen stehen neben düster schimmernder Rock-Oper und über allem thront der Synthiepop. Drama, Opulenz, Pathos, Bombast, Theatralik - The Jezabels lassen fast keinen Effekt ungenutzt. Obwohl dies alles höchst clever gemacht und angenehm zu hören ist, lässt "Synthia" leider das, was Cyndi Lauper in den 80ern massenhaft hatte, nämlich eingängige, wiedererkennbare und ihr klar zuordenbare Hits, missen.
Mit jeweils sieben Minuten Länge umrahmen das eröffnende »Stand And Deliver« mit Spoken-Word-Intro von Edie Sedgwick und »Stamina« als dramatisch schmachtendes Finale diese Platte und geben die Konzeption als großes, mit Herzblut geschaffenes Werk vor. Dazwischen orientiert sich »Synthia« an allem, was zeitgemäßen, von den 1980ern inspirierten Synthie-Rock ausmacht. Hinzu kommt die Stimme von Haley Mary, deren Hingabe bisher noch jeden Beat von seiner Durchschnittlichkeit enthoben hat. Dazu kommen die erst auf den zweiten Blick erkennbaren Gender-Themen, die »Synthia« durchziehen. Alles in allem kein Album für die Ewigkeit, aber ein außergewöhnliches Funkeln für den Moment.
(intro)
Seinem Grundkonzept bleibt das Quartett treu, aus den dicht gewobenen Keyboardteppichen entwickeln sich die Melodien erst sanft, werden wie in „Come Alive“ langsam aber unaufhaltsam zum Sturm oder packen in „My Love Is My Disease“ überfallartig zu.
Kernelement bleibt der Gesang, welcher melancholisch, mysteriös, lasziv oder theatralisch die Stimmung regiert, sich manchmal in derartig in die Höhe schraubt, dass es fast ein wenig überzeichnet wirkt.
Der Hüftwackler „Pleasure Drive“ und „Unnatural“ sind unverhohlene Verneigungen vor den Eighties, in Dream-Pop Gefilden bewegt sich „A Message From My Mothers Passed“. Dass die Songqualität nicht leidet, wenn in Sachen Bombast abgespeckt wird, beweist „Flowers In The Attic“.
Am Ende schließt sich mit „Stamina“ nicht nur wegen seiner Laufzeit der Kreis zum Opener, es wird noch einmal alles in die Waagschale geworfen, was – wie hier richtig zusammengesetzt – den perfekten Pop-Song formt. Seinen Vorgänger übertrifft das Album, hinterlässt trotzdem den Eindruck, dass auch diesmal der letzte Zug zum Tor fehlt. Bei aller Gefälligkeit wird die Platte ab der Mitte ein wenig vorhersehbar, es fehlt das überraschende Element.
(musikblog)
Der Bombast erdrückt die Songs.
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