Als wir letztes Jahr ein Konzert von Maximilan Hecker besuchten, stellten wir fest, dass er auf der Tour von Felix Räuber, dem Sänger von Polarkreis 18, begleitet wurde, der mit "Running Out Of Time" auch ein eigenes neues Lied vorstellt. Möglicherweise wird man also in näherer Zukunft mit einem Soloalbum von Räuber zu rechnen sein.
Die Frage, was denn die übrigen Mitglieder von Polarkreis 18, deren letztes Album "Frei" mittlerweile auch schon 4 Jahre zurückliegt, in der Zwischenzeit so treiben, wurde uns rund 10 Monate später im Vorprogramm eines Enno Bunger Konzertes beantwortet. Denn dort traten Woods Of Birnam auf, die aus dem Schauspieler Christian Friedel ("Das weiße Band") sowie Philipp Makolies (Gitarre), Uwe Pasora (Bass), Ludwig Bauer (Keyboards) und Christian Grochau (Drums) bestehen. Das Quartett hatte also die Abwesenheit des Polarkreis 18 Sängers genutzt und mit Friedel (Gesang, Piano) ein neues musikalisches Projekt gegründet, das im Herbst 2012 bereits Kompositionen für eine Neuinszenierung von Shakespeares "Hamlet" am Staatsschauspiel Dresden erarbeitet hatte. Auf den Konzerten, die Ende letzten Jahres stattfanden, konnte man mit der "Hamlet" EP und der "The Healer" EP bereits erste musikalische Eindrücke käuflich erwerben, was ich, da mir der Auftritt sehr gut gefallen hatte, auch tat.
Mit dem herausragenden "I'll Call Thee Hamlet", "Daylight", "Remembrance" und der Single "The Healer" schafften es auch vier Titel auf das von Tobias Siebert (Kettcar, Phillip Boa, Slut) produzierte Album. Auf "Woods Of Birnam" sorgt Siebert (And The Golden Choir) erneut für bombastischen Klang, die Band steuert facettenreichen Indiepop bei: von tanzbar und rockig ("The Healer") bis hin zu ruhig und sanft ("Soon", "Daylight").
Aus einem sehr homogenen, melancholischen und mitunter pathetischen Album ragt "I'll Call Thee Hamlet" positiv heraus, da keiner der übrigen elf Songs dessen Klasse erreicht, und fällt der im Refrain an Baltimoras "Tarzanboy" erinnernde 80er-Jahre-Synthie-Pop-Song heraus.
Stellt sich abschließend nur noch die Frage nach dem Schicksal von Polarkreis 18 bzw. ob man nun überhaupt noch ein neues Album von ihnen braucht. Wenn es so ausfällt wie "Frei" und die Alternative so gut ist wie "Woods Of Birnam", dann muss man diese wohl verneinen.
Mit “The Healer” als ihrer Debütsingle wird klar, dass Wood Of Birnam nicht länger auf den Schauspielbühnen des Landes verharren wollen. Der rhythmische Titel ist nämlich so viel mehr als typischer Indie-Rock: Tanzbar, ohrwurmlastig und fröhlich-melancholisch.
Und so zieht es sich durch das gesamte Album. Mal klingt es wie große Pop-Musik, mal wie typisch sanfter Alternative-Rock. Sensibel und melancholisch geht es zum Beispiel auf “Daylight” zu, während “I’ll Call Thee Hamlet” absoluten Favoriten-Charakter enthält, atmosphärisch ist und mehr als eindrucksvoll klingt. Zwischen Gesang und Instrumenten herrscht auf der gesamten Platte eine außergewöhnliche Mitte, ein perfekter Treffpunkt. Das Zusammenspiel aus groovendem Bass, außergewöhnlichen Beats und der feinen Gitarre von Philipp Makolies entführt den Zuhörer in die tiefsten Tiefen der melancholischen Soundwelten.
Ganz anders als erwartet, klingt Woods Of Birnam modern, erwachsen und sicher. Und ganz und gar nicht nach theatralischer Theaterband. Alle zwölf Tracks der Platte sind besonders und haben etwas mysteriös Spezielles an sich.
(Musikbog)
Friedel ist einer der wenigen Schauspieler, die man nicht auf der falschen Bühne wähnt, wenn sie anfangen zu singen. Vielleicht weil er mit Woods Of Birnam auch auf der Theaterbühne steht und im Film so schlicht daher kommt. In jedem Fall kann er sich den Background-Gesang leisten und sieht gut aus dabei. Selbst die Ausflüge in den allzu mainstreamigen Achtziger-Jahre-Pop, wie bei "Dance", kann man ganz gut verzeihen und an einem späten Freitagabend oder frühen Samstagmorgen sogar abfeiern.
Naja, insgesamt überwiegt auf "Woods Of Birnam" definitiv das "Ich" bzw. "I" in den Texten. Die sind kein Blick auf die Gesellschaft oder den Zeitgeist, sondern ein Blick in das Gefühlsleben und die Befindlichkeit des Erzählers. Es sind Fragen, die er – oder sie – sich stellt, Ängste oder Regungen, die geschluchzt, gejammert oder notfalls auch geschrien werden wollen. Der immense Pathos, in den Woods Of Birnam die Empfindsamkeit hüllen, bietet dabei den nötigen Schutz, den zum Beispiel ein Liedermacher, der sich alleine mit seiner Gitarre und traurigen Liebesliedern dem Publikum stellt, nicht hat. Wie eine dicke Schicht Zuckerglasur schützen die fetten Gitarrenspuren und Keyboardmelodien, aber auch das Englisch der Texte, den empfindsamen und verletzbaren Kern vor Sätzen wie "Na so richtig politisch ist das jetzt nicht". Nein, ist es auch nicht. Es ist Musik zum Träumen. Es ist persönliche Musik, die auf die große Bühne will und nicht in die Tagesschau.
(Plattentests)
Woods Of Birnam live:
13.11.14 Dresden - Staatsschauspielhaus (Hamlet)
15.11.14 Köln - Die Wohngemeinschaft
16.11.14 Hamburg - Kleiner Donner
19.11.14 München - Literaturfest
22.11.14 Magdeburg - Projekt 7
12.12.14 Dresden - Staatsschauspielhaus (Hamlet)
23.01.15 Dresden - Staatsschauspielhaus (Hamlet)
Eigentlich stimmt hier ziemlich viel. Jede Menge Pathos und Theatralik (im wahrsten Sinne) mag ich normalerweise. Aber irgendwie packt mich das Album nicht richtig. Der Opener ist klasse, der Rest 'nur' gut: 6, (voraussichtlich) den Schnitt drückende Punkte.
AntwortenLöschenIch kann fast alle Aussagen von Oliver bestätigen. Aber nur fast.
AntwortenLöschen7,5 Punkte
6 Punkte. Ohohohoho
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