Für ihr achtes Studioalbum (hinzu kommen neun mit The New Pornographers sowie ein Album zusammen mit Laura Veirs und K.D.Lang) hat Neko Case die Türen zum Studio weit geöffnet, so dass Gitarre, Bass (2), Cello (2), Geige (4), Klarinette, Flöte, Horn (2), Harfe, Oboe, Viola (2), Keyboard, Synthesizer, Schlagzeug, Saxophone, Pedal Steel Guitar und die diese Instrumente spielenden 28 Musikerinnen und Musiker auch Platz fanden.
Das PlainsSong Chamber Orchestra nahm in Denver, Colorado auf, außerdem wurden Studios in Portland und St. Johnsbury gebucht, Neko Case fungierte dabei erstmals allein als Produzentin. Acht der elf Songs schrieb sie zusammen mit Paul Rigby.
Der Titelsong ist der ungewöhnlich wild rockende Song auf dem Album, an dessen Ende die Streicher besonders dramatisch aufspielen, „Destination“, „An Ice Age“ oder „Oh, Neglect…“ stehen stellvertretend für die Kammerpop-Momente, „Tomboy Gold“ ist ein jazzig-experimentell gehalten und „Louise“ sitzt ziemlich sentimental in einer Bar. Ohne Ausflüge in Richtung Americana oder Alternative Country geht es natürlich trotz der instrumentalen Opulenz nicht.
„Neon Grey Midnight Green“ erscheint 7 Jahre nach „Hell-On“ auf ANTI-Records und zwar als CD und LP (black Vinyl, translucent green Vinyl, clear frosted Vinyl, clear green smoke vinyl, clear gold Vinyl).
Dabei lohnt sich das durchaus, denn Neko hantiert hier mit einem allegorischen Humor, der etwas Märchenhaftes hat. Es ist nur so, dass man sich angesichts all der Haken, Ösen, Wendungen, Stops und Gos, mit der die Auteurin die Struktur den Texten untertan macht, zuweilen ein wenig Geradlinigkeit wünscht – wie sie sie etwa in der a cappella der Moritat „An Ice Age“ demonstriert – bevor auch dieser Song in orchestraler Grandezza verglüht. Bei all dem Bemühen, die Musik so vielschichtig und facettenreich zu gestalten, kam da einfach zuweilen zu viel Kreativität zusammen.
Die LP ist ein emotionaler Nachruf auf viele Kolleg*innen, die in den letzten Jahren aus dem Leben geschieden sind und eine Lücke in Cases Umfeld sowie in der Independent-Szene der USA hinterlassen haben. Wie sehr jeder einzelne Verlust Neko Case geschmerzt hat, zeigen sowohl die Lyrics als auch die Melodien auf „Neon Grey, Midnight Green“. Selten hat eines ihrer Alben bewusster auf das Herz der Hörer*innen gezielt, um es zum Bluten zu bringen. Immer wieder gibt es Momente, in denen die Instrumentierungen verstummen und nur Cases charakteristische Stimme zurückbleibt. Zurück in einem Raum voller Widerhall. Das allein sorgt schon für kalte Schauer und Gänsehautwellen. Wenn dann aber noch die wie immer dynamischen Klangteppiche ausgerollt werden, die viele spannende Elemente und Spielereien enthalten (was besonders bei Experimentalstücken wie „Tomboy Gold“ zu vernehmen ist), steht die Welt gern mal für einen Moment still. Oder sie gerät kurz aus den Fugen, sodass man sie neu zentrieren muss.

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