Was hat sich Thom Yorke denn hier wieder für uns ausgedacht? Auf jeden Fall, fast auf den Tag genau 9 Jahre nach „A Moon Shaped Pool“, kein neues Radiohead Album.
Seitdem hat Yorke ein Soloalbum, zwei Soundtracks und drei Alben mit The Smile veröffentlicht und nun schiebt sich auch noch eine Zusammenarbeit mit Mark Pritchard vor die nächste Platte mit O’Brien, Selway und den beiden Greenwoods.
Pritchard war zuvor bereits als Remixer für Radiohead („Bloom“) sowie Yorke („Not The News“) tätig und erhielt im Gegenzug Thoms Stimme für seinen Song „Beautiful People“. Während der COVID 19-Pandemie wurde der Kontakt wiederbelebt und der musikalische Austausch begann via Email und Zoom. Pritchard schickte Yorke, der offensichtlich nichts mit seiner Freizeit im Lockdown anzufangen wusste und Keller sowie Speicher wohl schon entrümpelt hatte, rund 20 Demoversionen zu, dieser schrieb Texte, sang sie ein und schickte seine Versionen zurück. Nach und nach entwickelten die beiden Musiker so zusammen unter Einsatz zahlreicher Vintage-Synthesizer zwölf experimentelle Songs zwischen Ambient, Soundscapes und Electronica, die nun gebündelt als „Tall Tales“ vorliegen. Auch Yorks Gesang war nicht davor gefeilt, durch den elektronischen Fleischwolf gedreht zu werden.
Irgendwann im Verlauf der Entstehungsgeschichte müssen Pritchard & Yorke auch den Kontakt zum australischen Künstler Jonathan Zawada gesucht haben, der sich um das visuelle Konzept (Plattencover, Videos) des Projektes kümmerte.
„Tall Tales“ ist über Warp Records als CD und Doppel-LP (black Vinyl) erschienen (jeweils auch in Deluxe Versionen) und steht aktuell bei Metacritic bei 82/100 Punkten.
Als Entrée dient der Achtminüter „A Fake In A Faker’s World“, wo staubige Maschinen durch Echoräume aus Kraftwerk und Ambient pluckern. Der Beat will nicht so recht, er stolpert, dann pausiert er wieder, begleitet von Yorkes Klagegesang. Pritchard, der drei Dekaden elektronische Musik von Techno bis Grime mitprägte, hat den Songs rostige, knarzige Fundamente aus uralten, ewig eingemotteten Synthesizern gebaut. Yorke indes schummelt sich mit 33 verschiedenen Stimmen durch alle Tonlagen, mitunter bis in die Unschärfe verzerrt.Konventionelle Songstrukturen? Braucht man nicht, einige Tracks, wie etwa „Ice Shelf“, düsen einem als Ambient-Orkan um die Ohren. Mark Pritchard hat das Wurzelwerk elektronischer Musik ausgegraben und es Thom Yorke gegeben, um sich darin zu verlieren.
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