Bei Marcus Mumford läuft es nicht. Im letzten Jahr entpuppte sich sein langjähriger Bandkollege Winston Marshall als rechte Socke und verli...

Marcus Mumford - (self-titled)


Bei Marcus Mumford läuft es nicht. Im letzten Jahr entpuppte sich sein langjähriger Bandkollege Winston Marshall als rechte Socke und verließ Mumford & Sons im Unfrieden und dann stieg auch noch sein Lieblingsverein, der AFC Wimbledon, ab und dümpelt nun in der EFL League Two, der vierthöchsten Spielklasse Englands, herum.

Um wieder in die Spur zu finden, entschloss sich Marcus Mumford ein Soloalbum in Los Angeles aufzunehmen, seine Kontakte zu durchstöbern und fündig zu werden: Phoebe Bridgers („Stonecatcher“), Monica Martin („Go In Light“), Brandi Carlile („How“) und Clairo („Dangerous Game“) gingen an ihr Telefon und nahmen die Einladung ins Studio an. Robin Pecknold von den Fleet Foxes und und Tobias Jasso Jr. schauten für eine gemeinsame Schreib-Session bei Marcus Mumford vorbei („Better Angels“) und Blake Mills (Jack Johnson, Perfume Genius, Fiona Apple, Laura Marling) sorgte mit ihm gemeinsam für die Produktion des Albums. Unter „S“ stieß Marcus Mumford noch auf den Namen eines Regisseurs, der es sich nicht nehmen ließ, zum zweiten Mal in seinem leben ein Musikvideo zu drehen. Nach „The Goonies ’R’ Good Enough“ (1985) drehte Steven Spielberg den Clip zu „Cannibal“:


 


Von den Kritikern wurde „(self-titled)“ besser angenommen als jeder der vier Mumford & Sons Alben (69/100 Punkte bei Metacritic im Gegensatz zu 68 („Sigh No More“), 63 („Babel“), 54 („Wilder Mind“) und 59 („Delta“) Punkten). Die Plattenkäufer hielten sich etwas zurück, so dass in den USA (nach drei Nummer Eins-Alben in Folge) nur Platz 53 heraussprang. In England reichte es zu Rang 4. Ein Platz, von dem der AFC Wimbledon, aktuell auf Platz 16 stehend, nur träumen kann.


Für den Opener „Cannibal“ wählt er eines der wohl schwierigsten Themen für eine öffentliche Therapiesitzung: das Trauma, im Alter von sechs Jahren sexuell missbraucht worden zu sein. Intim und zurückgenommen ist dabei (wie auch auf dem Rest des Albums) das Gros der musikalischen Inszenierung, seltene, dezente Knallmomente inklusive.
Blake Mills (Alabama Shakes, Perfume Genius) atmosphärische Produktion setzt weder auf den Electro-Schrott der letzten Band-Alben, noch wird wehmütig den folkloristischen Anfängen gedacht. Stattdessen: ein Hauch Jazz-Piano, Gated-Reverb-Gedenk-Drumcomputer von Kendrick-Lamar-Kooperateur Sounwave oder im Zusammenspiel mit Clairo 80er-Peter Gabriel-Sounds. Clairo ist nicht die einzige Gastsängerin, Monica Martin und Phoebe Bridgers mischen auch mit. Genauso wie die aktuelle Alternative-Country-Königin Brandi Carlile, die mit Mumford auf dem einzigen echten Folksong des Albums, „How“, harmonisch die Klammer schließt und der harten „Cannibal“-Kost final mit Vergebungsausdruck begegnet.


 


Mit seinem ruhigen, spartanisch instrumentierten Vortrag bei „Cannibal“, der ab der Mitte in einem Wall-of-Sound-Moment explodiert, geht Mumford zurück zu den Anfängen, als seine Kumpelband und er um 2008 herum in Londoner Pubs Handgemachtes mit Western-Hosenträgern und Tweedhosen kombinierten. Die zweifellos vorhandenen Meriten der Zehnerjahre verblassen aber, wenn es mit „Grace“ weitergeht, einem Werk ohne Linie und Schmiss, mal mehr luftiges Geklampfe, später dann gefälliger Rock-Pop à la „Better Angels“. Mumfords Stimme hat weiterhin Qualitäten als Country-Crooner, doch in „Stonecatcher“ überspielt er das Landei-Pathos deutlich. „How“, als Rausschmeißer, steht dann mehrstimmig in der Luft. Leider eine ziemlich öde Schaffe.





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