Bewegte Zeiten durchlebte Zach Condon seit 2011: Sein letztes Album, "The Rip Tide", das erstmals als Bandprojekt entstand, chartete in vielen Ländern - es konnte sich auch bei uns auf dem 12. Rang der Jahresbestenliste platzieren - und erweiterte den Bekanntheitsgrad von Beirut immens. Eine lange Tournee rund um die Welt und zahlreiche Festivalauftritte folgten, führten aber auch dazu, dass Condon wegen Erschöpfung in ein australisches Krankenhaus eingeliefert und der Rest der Tournee abgesagt werden musste. Wenn Scheidung und Schreibblockade weitere Substantive sind, die Condons Leben in diesem Zeitraum beschreiben, dann weiß man, dass es weder privat, noch beruflich bzw. kreativ besonders gut lief.
Doch mittlerweile häufen sich wieder die guten Nachrichten: Condon wohnt wieder in New York, hat eine neue Beziehung, einen Wechsel zu 4AD hinter sich und - für uns die beste Nachricht - mit "No No No" soeben das vierte Album von Beirut veröffentlicht.
Das Warten hat sich gelohnt und die Vorfreude war in diesem Fall nicht die schönste, denn am meisten Vergnügen hat man, wenn man das blaue Vinyl auflegt, obwohl nach weniger als 30 Minuten, inklusive des Gangs zum Plattenspieler und des Umdrehens der Scheibe, der Spaß bereits wieder vorüber ist und es einige Unterschiede im Vergleich zum bisherigen Output von Condon gibt: melancholischer Balkanpop? Vorbei. Die typischen Bläserarrangements? Erklingen dezenter, verhaltener und deutlich seltener ("At Once"). Stattdessen zeigen sich Beirut nun nahezu fröhlich und unbeschwert, sind die Songs schlanker, mit Hauptaugenmerk auf Tasteninstrumente, arrangiert und noch eingängiger als zuvor. Bei "August Holland" würde man zunächst eher an den Pianoman Billy Joel denken als an Beirut, Songs wie "Gibraltar" oder "No No No" sind nur schwer wieder aus dem Gehörgang zu bekommen und am Ende gibt es statt Polka-Pop mit "So Allowed" zu Streicher- und Bläserklängen einen tollen Walzer.
Mit NO NO NO hat Condon ein ungewohnt leichtfüßiges, modernes Popalbum produziert. Assoziiert man mit der Musik von Beirut doch eigentlich klobige Polkarhythmen, Unmengen von Instrumenten und einen stets melancholisch betrübten Gesang, wird man nun eines Besseren belehrt. NO NO NO verzichtet auf ausgeklügelte Klangkomplexe und konzentriert sich auf ein instrumentales Minimum. Einzig Condons schwerfälliger Bariton ist geblieben, der sich im Kontext der neuen Glückseligkeit zu einem interessanten Gegenstück formt.
Ob „Gibraltar“, „August Holland“ oder „Perth“: Die neuen Songs könnten mit ihren leichten Rhythmen und munteren Klaviermelodien kaum beschwingter sein. Beirut wurden wachgerüttelt und reichen der Metamorphose selbstbewusst die Hände.
(musikexpress)
Ein lebhafter Rhythmus und eine muntere Klaviermelodie leiten den Opener „Gibraltar“ ein. Darüber Zach Condons Stimme in langen Tönen, die dem Track etwas Positiv-Meditatives gibt. Der Titeltrack „No No No“ hält ein Drum-Machine-Intro bereit und zieht etwas schunkelig, unterstützt von Bläsern, das Tempo weiter an. Die unbeschwerte Stimmung kulminiert im poppigen „Perth“. Ruhige und schwelgerische Momente werden dem Album durch Stücke wie dem Instrumental „As Needed“ und der Walzer-Ballade „So Allowed“ verpasst.
Die Helligkeit beginnt sich erst nach der dunkelsten Stunde auszubreiten. Der Spruch ist angestaubt, aber stimmt immer noch. Der beste Beweis dafür ist „No No No“. Ein Album, das unverkennbar den Stempel von Beirut trägt, aufgelockert, ohne Ernst und Strenge, voller guter Stimmung.
(byte.fm)
Der flinke Titelsong träumt sich hingegen beschwingt durch seine kurzweiligen drei Minuten und wirkt dabei – entgegen seines Namens – lebensbejahend und positiv. Alsbald wird jedes von Condon gesungene "No" zu einem leisen "Ja" des Hörers, einem "Ja" zu dieser Art Musik, die so sanftmütig und zart wirkt, aber dabei doch kraftvoll genug ist, um kleine, olivenbaumgesäumte Welten entstehen zu lassen, in die man sich pünktlich zum herbstlichen Temperatur- und Stimmungssturz flüchten kann. Einen ähnlichen Pfad beschreiten Condon und seine Mitstreiter mit dem schunkelnden "Fener", das mit seinen harmonischen Background-Chören stark an die eingängigeren, hymnischen Nummern von Grizzly Bear erinnert. Und ja, freilich ist das als Kompliment zu verstehen.
Ein Schlüsselstück auf "No no no" ist sicherlich auch das schlanke "At once". Das Klavier und die Bläser bemühen sich um angemessene Tragik, während Condon im bittersüßesten Tonfall gebetsmühlenartig die immergleichen Worte wiederholt, bis sie sich ganz tief einbrennen: "At once, at last, at all." Auf einmal, letztendlich und überhaupt. Sicherlich bietet solch karge, reduzierte Lyrik Interpretationsfreiräume, die bespielt werden wollen. "August Holland" wischt dann mit seiner frühlingshaften Instrumentierung die leichten Anflüge feingliedriger Melancholie direkt wieder vom Tisch. "No no no" klingt letztlich wie die Ankunft am Heimathafen. Ob sein Aufenthalt endgültig oder nur vorbergehend ist, wird die Zeit zeigen. Fernweh ist schießlich ein Feuer, dem nur schwer beizukommen ist.
(Plattentests)
7,0
AntwortenLöschenAuch hier wurde ich nicht total enttäuscht. Kein Meisterwerk, aber dennoch: Man hört es sich sehr gerne an. Kurzweilig.
7,5 Punkte
AntwortenLöschen5.5
AntwortenLöschenIch war ja nie Fan. Umso überraschter war ich vom letzten Album. Das hier ist aber wieder nix
AntwortenLöschen5,5
Bin ich denn der Einzige, der ruft: "Yes! Yes! Yes!"?
AntwortenLöschen8,5 Punkte
Ich rufe mit. 9 Punkte. Immer wieder gerne bei Beirut!
AntwortenLöschenNachträglich 8 Punkte.
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