Letzte Woche Freitag erschien zum 10-jährigen Jubiläum des Meisterwerks von The Postal Service eine Deluxe-Ausgabe von "Give Up". Am Ende von Disk 2 bzw. LP 3 wird diese von einer eben so schlichten wie wundervollen "Such Great Heights"-Coverversion von Iron And Wine gekrönt.
Am gleichen Tag stand mit "Ghost On Ghost" auch das fünfte Studioalbum von Iron And Wine in den Plattenläden. Doch der Käufer sei gewarnt, driftet das Album doch noch weiter ab vom Folk- und Singer/Songwriter-Stil als bereits der Vorgänger "Kiss Each Other Clean" und offeriert mit perlenden Pianoläufen, säuselnde Sängerinnen und jazzigen Bläsern (samt Saxofon) versehenen chillig-souligen Soft-Folk. Das klingt dann teilweise so, als säße man mit in einer Hotelbar und sähe/höre George Michael, der in schummrigen Licht Folk- und Americana-Klassiker in angejazzten Easy Listening-Versionen präsentiert. Da möchte man lieber zum Eisen als zum Wein greifen!
Auf GHOST ON GHOST spielt der Texaner, begleitet von einem Verein von Alleskönnern (u. a. Mitglieder der Bands von Bob Dylan und Antony Hegarty), diese Idee einer zeit- und raumübergreifenden amerikanischen Pop-Musik in diverse Richtungen weiter. "Caught In The Briars“ heißt der Eröffnungssong. Er beginnt mit einer kurzen Latin-Rhythmus-Sequenz, die Platz macht für eine akustische Gitarre. Was sich dann so langsam aufbaut, ist ein Gospelstück, wie man es vielleicht von Van Morrison erwarten kann. Ein Song, der den Zusatz "adult orientated“ gerne tragen darf und in einem leicht angejazzten Instrumentalpart ausgeblendet wird. Beam läuft in diesen zwölf Songs zur Hochform auf, seine Musik besitzt heute die Ausgeschlafenheit der besten Steely-Dan-Songs, sie erinnert an die Verschwendungssucht eines Todd Rundgren in den frühen 70er-Jahren und findet mit schöner Regelmäßigkeit wieder zu sich selbst zurück. Die Bläser- und Streicher-Arrangements tragen längst so etwas wie ein Gütesiegel, sie untermalen die Songs, überschreiben sie für ein paar Sekunden, sie verleihen ihnen die akustischen Ausrufezeichen auf dem gedämpften musikalischen Feld, das Beam mit seiner sanften Stimme so wunderbar bestellt.
(Musikexpress)
Mit seinem fünften Album "Ghost on ghost" geht er noch einen Schritt weiter. Mehrstimmiger Gesang? Check. Jazzelemente? Check. Brass-Sound? Check, check, check. Die deutlich poppigere Note in den Stücken verleiht Iron & Wine ein menschlicheres, beinahe wärmeres Gewand, ob das dem persönlichen Empfinden allerdings zuträglicher sein wird, ist die andere Frage. Denn Fakt ist, dass man mit kaum einem anderen schrulligen Waldschrat mit Klampfe in der Hand lieber am Lagerfeuer saß, um entweder vor lauter Trauer oder Freude zu heulen (je nach Umstand). Zu einem Song wie dem retropoppigen "New Mexico's new breeze" mitsamt seinem lieblichen Pianoeinsatz am Schluss und den dezenten Streichern lässt es sich aber hervorragend ums Feuer herumtanzen - allein, zu zweit, zu sechst, völlig egal. Schunkeligeres Beisammensein gibt es unterdessen auf "Joy", quasi einer Ode auf die Zeit zu zweit, und mit dem rhythmischen "Low light buddy of mine" kommt auch die funky Kopfnicker-Fraktion auf ihre Kosten.
Der Wandel gelingt Beam ausgesprochen gut, und die Brassklänge, die sich durch das ganze Album ziehen und anfangs gewöhnungsbedürftig erscheinen, passen im Grunde wie die Faust aufs Auge. Zwar braucht ein Stück wie das jazzige "Lovers' revolution" den einen oder anderen weiteren Hördurchgang, um wirklich zu gefallen, ergibt im Albumkontext von "Ghost on ghost" aber durchaus Sinn. Wenn die Party dann zur Mitte des Songs richtig losgeht, ist alles andere vorher sowieso fast vergessen. Von einem ähnlichen Schlag ist das opulente "Singers and the endless song", bei dem die Bläser das eigentliche Highlight sind, dicht gefolgt vom souligen Hintergrund-Gesang. Wenn je ein Beispiel gesucht wird für ein Album, das zunächst enttäuscht, dann aber zum wahren Grower wird, ist "Ghost on ghost" ein Top-Kandidat. Dass Beam seine eigene Vergangenheit nicht ganz abgeschrieben hat, zeigt er dann mit dem Abschlusssong "Baby center stage", zu dem es schließlich doch noch zurück ans Lagerfeuer geht, und dann dauert es auch gar nicht mehr lange, bis endlich die ersten Tränchen kullern. Vor Freude, versteht sich.
(Plattentests)
Ich mag die neuen, eher jazzigen Sachen von Iron & Wine nicht mehr ganz so gerne und deshalb tue ich mich auch mit "Ghost on Ghost" etwas schwer. Immerhin ist "Baby Center Stage" ganz hervorragend gelungen - klingt fast so fein wie "früher".
AntwortenLöschen6,5 Punkte
Beim ersten Mal hören klingt`s vielversprechend. Mal sehen.
AntwortenLöschenfünfkommafünf punkte.
AntwortenLöschen8,5 Punkte
AntwortenLöschenIron and Wine - das lass sein. So heißt es doch, oder?
AntwortenLöschen4,5 Punkte