PVG: Alcest , eine französische Band, die man zuvor eher mit den Begriffen „Black Metal“ oder „Post-Metal“ bedachte,...

Alcest - Kodama






















PVG: Alcest, eine französische Band, die man zuvor eher mit den Begriffen „Black Metal“ oder „Post-Metal“ bedachte, konnte 2014 mit „Shelter“ dein Album des Jahres abliefern. Wie konnte es dazu kommen?

Oliver: Wenn man sich das Album anhört (und ich tue das immer noch regelmäßig), kommt einem der Begriff ‚Metal‘ nicht wirklich in den Sinn. Eher Post-Rock trifft Dreampop und Shoegaze. Und hättest Du bei Deiner Vorstellung damals nicht mit Namen wie Slowdive, Ride oder Sigur Rós um Dich geworfen, hätte ich diese tolle Platte wahrscheinlich nie kennengelernt. Oft erinnert mich das, was Alcest auf dieser Platte machen auch an Blind Mr. Jones, einer sehr unterschätzten englischen Shoegaze-Band der frühen 90er-Jahre. Nur ohne Flöte.

PVG: Nun ist mit „Kodama“ der Nachfolger erschienen, der Alcest auch immer höher in die Charts führt (Platz 15 in Deutschland) – können die Franzosen ihren Titel bei dir verteidigen?

Oliver: Alles was ich vor dieser Fragestunde von ‚Kodoma‘ gehört habe, war eine Vorab-Single in Form eines youtube-Videos. Vermutlich war es ‚Oiseaux de Proie‘, allerdings lief es sicherlich nicht länger als 3 Minuten und 18 Sekunden. Platz 15 in Deutschland? Echt jetzt?

PVG: Apropos Platz 15: Dort landete „Shelter“ 2014 mit einem Punkteschnitt von 7,700 bei unserer Endauswertung. Gibst du einen Tipp für die Platzierung und den Punktedurchschnitt von „Kodama“ ab?

Oliver: Ja, gebe ich: Nicht so hoch. Wobei das musikalisch glaube ich (nach 1x Hören) gar nicht sooo schlecht ist. Wenn nur das Gebrülle nicht wäre…

PVG: Wird es von dir Bonus-Punkte für die aussterbende Art des Konzeptalbums, inspiriert von Hayao Miyazakis „Princess Mononoke“, geben?

Oliver: Ich bin gar nicht sicher, ob das so eine aussterbende Art ist. Angelika Express haben zum Beispiel am 11.11. ein Konzeptalbum zum Thema ‚Alkohol‘ namens ‚Alkohol‘ veröffentlicht. Prost und Alaaf!

PVG: Alcest sagen, „Kodama“ sei eine Rückkehr zu ihrem früheren Blackgaze Style. Was ist das denn? Gehört dazu dieses schreckliche Gebrülle bei „Eclosion“ und zwei französischen Titeln?

Oliver: Ohne Wikipedia wäre ich da auch ziemlich verloren. Ich zitiere: „Blackgaze ist ein Subgenre des Metal mit deutlichen Einflüssen aus Post-Rock und Shoegazing.“ Lustig finde ich auch diesen Abschnitt: „Markus „Herbst“ Siegenhort, Gründungsmitglied der zeitweiligen Blackgaze-Bands Líam und Lantlôs, beschreibt den Stil hingegen kritisch als „langweiliges“ und „stagniertes“ Genre mit einer simplen Struktur: „Es sind immer 12-Minuten-Tracks, die fünf Minuten Intro haben und dann kommt ein bisschen Post Rock mit Blastbeats und Geschrei drunter.“ Also ja: Schreckliches Gebrülle scheint dazu zu gehören. Bitte frag mich nicht, was „Blastbeats“ sind.

PVG: Das Album hat nur 6 (in der Deluxe Version 7) Songs, welche würdest du empfehlen?

Oliver: Die normale. Bringt einem vermutlich 6 Minuten mehr Lebenszeit!

PVG: Von „Shelter“ gab es jede Menge unterschiedliche Vinyl-Versionen. Wie sieht das bei „Kodama“ aus?

Oliver: Bei discogs sind derzeit neun verschiedene Formate gelistet. Bei der einen oder anderen Version wird es vermutlich noch Zusammenlegungen geben, aber unterm Strich gibt es wieder: Jede Menge.




Nehmen Sie sich Zeit, den Schuber aus dem Digipac heraus zu fummeln und betrachten Sie in Ruhe die magisch-verstörenden Zeichnungen, die an japanische Manga-Kunst angelehnt sind. Im Hintergrund wirkt der Titelsong “Kodama” möglicherweise zunächst belanglos und austauschbar. Schnell verdichtet sich der Track mit verzerrten Gitarren und ruhiger Rhythmik aber zu einer komplexen Klangwand, in der Neiges warmer Klargesang sich nicht als formgebendes Element abhebt, sondern wie ein weiteres Instrument die Atmosphäre stützt. Ein wenig überrascht, fühle ich mich von den ruhigeren Parts an TOOL erinnert und das Zeitgefühl geht verloren. Der folgende Titel “Eclosion” bringt es fertig, gleichzeitig vergnügt und todtraurig zu klingen und befördert durch seelenzerfetzendes Gekeife ALCESTs Black Metal-Wurzeln an die Oberfläche. “Je Suis D’Ailleurs” erzählt wahrlich vom Woanders-Sein, wenn treibend-melancholische Gitarren sich über fernes Rufen aus der Kehle von Sänger Neige legen und ruhige Parts an Sonnenuntergänge in der Einsamkeit denken lassen. “Untouched” beginnt mit zarter Gitarre und indianisch wirkendem Klargesang. Melodiös-melancholisch schraubt sich der vierte Titel ins Herz und hinterlässt ein Gefühl von Vertrautheit, ehe “Oiseaux De Proie” an DREDG und TOOL erinnert, bevor es sich in grungige Untiefen stürzt und schließlich jeden Vergleich hinter sich lässt. Der letzte Titel “Onyx” breitet einen mystisch-elektronischen Trauerteppich aus und scheint in der Muskulatur zu beben, ehe Stille die knapp 45-minütige Tour de Force beendet, die ALCEST uns mit ihrem fünften Studioalbum bereiten.
(Metal)


4 Kommentare:

  1. Als Intrumental-Album wäre es großartig (vorausgesetzt ich würde Instrumental-Alben mögen). 6 (!!!) Punkte

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  2. 3 der 7 Songs werden kaputt geschrieen! Warum nur? 5,5 Punkte

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  3. Gut Gebrüllt ! Aber so schlimm finde ich das Gebrülle / Geschreie gar nicht. Die Gitarren haben das gut unter Kontrolle! 7 Punkte.

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