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20. Juni 2020

Revision: The Verve


Heute feiert „Northern Soul“, das zweite Album von The Verve seinen 25. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

Ein guter Grund für uns, um nach Morrissey, U2, The Smashing Pumpkins, a-ha, Talk TalkThe Cure,  Massive Attack und The Clash auch The Verve mit einer Revision zu ehren.



„A Storm In Heaven“

1993, Hut Records (10 Songs, 47:07 Minuten)


Dirk: 
Trotz der ausdrücklichen Empfehlung eines anderen Plattenrichters, der damals dem Label Hut Records verfallen war, und obwohl John Leckie, der wenige Jahre zuvor eine meiner Lieblingsplatten („The Stone Roses“) produziert hatte, involviert und von Verve schwer begeistert war, konnte mich „A Storm In Heaven“ auch vor 27 Jahren nicht begeistern. 
Die Band, die damals noch kein „The“ in ihrem Bandnamen hatte, verzichtete auf ihre frühen Singles („All In Mind“, „She’s A Superstar“ sowie „Gravity Grave“) und entwickelte die Songs in nächtlichen Jam-Sessions unter starker Beihilfe von Dope. Vielleicht liegt es an den fehlenden Drogen, dass dieser Neo-Psychedelic-Space-Rock-Strom ohne prägnante Refrains einfach an mir vorbei rauscht.

6,5 Punkte


Ingo: 
“Urban hymns”, “A northern soul”, “A storm in heaven” und “Forth”... in dieser Reihenfolge lernte ich The Verves Alben kennen. “A storm in heaven” war definitiv die Platte, die am schwersten zu verdauen war. Britpop ist da in meinen Ohren nicht mal am Horizont zu erkennen. Der psychedelischen und Prog-nahen Grundstimmung kann ich mich natürlich kaum entziehen und mit jedem Durchlauf entdeckte (und entdecke) ich neue “Schichten”. Aber eingängige Hits suche ich nun schon seit Jahren vergeblich auf “A storm in heaven”. 

7,5 Punkte.    


Oliver:
In einer anderen Revision schrieb ich einst: „Ich weiß gar nicht mehr, ob ich durch die MTV-Show 120 Minutes auf die Smashing Pumpkins aufmerksam wurde oder dadurch, dass das britische Indie-Label Hut Records den Vertrieb im UK übernahm. Damals habe ich mit Begeisterung viele Veröffentlichungen des Unterlabels von Virgin Records blind gekauft. Kein Wunder, hatten sie doch Bands wie Revolver, Verve (noch ohne ‚The‘), Moose, These Animal Men, The Auteurs oder Placebo im Programm.“ Ganz so blind habe ich damals das erste Album von (The) Verve allerdings nicht erworben, denn mit der „Verve EP“, die bereits 1992 erschien, wusste ich, was für ein Sound mich auf der Platte erwartet. Sehr psychedelisch, teilweise bluesrockig, im Großen und Ganzen aber fulminanter Shoegaze. Auf der Popkomm 1994 spielten sie neben These Animal Men, S*M*A*S*H und Daryll-Ann auf einem Hut Records Label-Abend im Kölner Luxor und bescherten mir mit ihren ausufernden Feedback-Orgien das bisher lauteste Konzert meines Lebens (was vermutlich auch nicht mehr getoppt wird). Die Songs der EP wurden für das Album nicht berücksichtigt, hätten bei mir allerdings für eine höhere Punktzahl gesorgt. So erhält „A Storm In Heaven“ (trotz Saxofon-Einsatz) von mir…

8 Punkte


Volker:
-


Gesamturteil: 7,333 Punkte



„A Northern Soul“

1995, Hut Records (12 Songs, 64:01 Minuten)


Dirk: 
Auf „A Northern Soul" gibt es weniger Psychedelic Rock und der Großteil der Songs war diesmal schon vor dem Studiobesuch komponiert. Was für eine gute Entscheidung! Mit den drei Singles „This Is Music“, „On Your Own“ und „History“, meinem liebsten Lied von The Verve, sowie „No Knock On My Door“ gibt es vier großartige Songs, die „Urban Hymns“ den Weg weisen sollten. Die Aufnahmen mit Owen Morris, dem Produzenten von „Definitely Maybe“, verleiten dennoch chaotisch, u.a. verschwand Richard Ashcroft für einige Tage spurlos, und wenige Wochen nach der Veröffentlichung von „A Northern Soul“ löste sich die Band erstmals auf. Übrigens ist Liam Gallagher Hände klatschend auf „History“ zu hören und sein Bruder Noel bekam den Titelsong gewidmet, nachdem „Cast No Shadow“ für „the genius of Richard Ashcroft“ war.

8 Punkte


Ingo: 
Einen Tick weniger psychedelisch als das Debüt und dafür halten poppige Momente Einzug. Gefälliger als “A storm in heaven” ebnet “A northern soul” den Weg für zukünftige Großtaten. Die Koexistenz mächtiger Gitarrenwände neben einer Pop-Perle wie “On your own” belegen das Potential der Band. Für “A northern soul” ist das perfekte Bindeglied zwischen “A storm in heaven” und “Urban hymns”. 

8 Punkte.    


Oliver:
1995 habe ich gefühlt jeden Tag ein Konzert im Luxor gesehen. Und wenn nicht da, dann eben im E-Werk oder der Live Music Hall oder der Kantine. Zwar mit einem Dauerpiepsen aus dem Vorjahr im Ohr (siehe oben), aber es war die Hochzeit des Britpop und Bands wie die Stone Roses, Elastica, Gene, The Boo Radleys, Salad, Marion, Menswear, Oasis, Blur und Pulp gaben sich die Klinke in die Hand. The Verve blieben allerdings größtenteils ihrem episch/psychedelischen Sound treu – bis auf zwei Ausnahmen: „On Your Own“ und „History“ schielen schon auf das, was zwei Jahre später urbane Hymnen werden sollten.

9 Punkte


Volker:
-


Gesamturteil: 8,333 Punkte



„Urban Hymns“

1997, Hut Records (13 Songs + Hidden track, 75:57 Minuten)


Dirk: 
Die Trennung g von The Verve währt nicht lange, sie haben plötzlich einen neuen Gitarristen (Simon Tong), holen schließlich auch Nick McCabe wieder zurück ins Studio und nehmen als Quintett ihr Opus magnus auf. Alles ist noch großartiger und opulenter als auf dem Vorgänger „A Northern Soul“, die Verkäufe gehen durch die Decke, die Hit-Singles sind auch in den Charts tatsächlich Hits (erstmals werden die Top 20 erreicht) und The Verve haben sogar ihre erste Nummer Eins-Single. Überraschenderweise war dies nicht „Bitter Sweet Symphony“ sondern „The Drugs Don’t Work“. „Urban hymns“ war zwischen Streicher-Balladen und psychedelischem Gitarren-Rock perfekt ausbalanciert - das Gruppengefüge von the Verve geriet jedoch wieder ins Ungleichgewicht... 

9 Punkte


Ingo: 
Dieses Album lieferte sich in meiner Gunst ein enges Rennen mit Björks “Homogenic”. Rückblickend lieferte 1997 einfach zwei Alben für die Ewigkeit. “Bitter sweet symphony” kam mir wahrscheinlich ein paar Mal zu häufig zu Ohren, aber das kann man dem Album nicht anlasten. Die Singles, “The rolling people” mit den Referenzen zu Aphrodite’s Childs “666” und überhaupt... ein perfektes Album. Ashcroft / McCabe auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.

10 Punkte    


Oliver:
Ob „Bitter Sweet Symphony“ jetzt trotz oder wegen des Samples einer Orchesterversion eines Liedes der Rolling Stones (das sie wohl selbst schon geklaut haben) so ein grandioser Song ist, ist völlig egal. Noch besser wird er durch den Einsatz im Finale des Films „Eiskalte Engel“. Wahlweise auch durch das dazugehörige Musikvideo, in dem Richard Ashcroft nichts anderes tut, als die Hoxton Street in Shoreditch entlang zu laufen. Irgendwie passt da alles. Sonnet, The Drugs Don’t Work, Lucky Man – weniger ist manchmal mehr bzw. letztendlich dann doch dem Zeitgeist entsprechend. Was nicht negativ zu verstehen ist, den von mir kommen…

9 Punkte


Volker:
-


Gesamturteil: 9,333 Punkte



„Forth“

2008, Parlophone (10 Songs, 64:18 Minuten)


Dirk: 
Ich bleibe tatsächlich bei meiner Wertung und Meinung von vor 12 (!) Jahren. „Love Is Noise“ und den Anfang der Platte habe ich mir schön gehört, der Rest ist leider uninspiriert und zu langatmig.

6 Punkte


Ingo: 
Was war ich gespannt auf dieses Album. Ashcrofts Solo-Werke waren bestenfalls Ersatzdrogen und eigentlich steigerten sie nur die Spannung bis “Forth”. Ich habe “Forth” als Enttäuschung abgespeichert. Doch nun im Rahmen der Revision muss ich diese Erinnerung ein gutes Stück weit revidieren: Natürlich kann es das Album nicht mit “Urban hymns” aufnehmen, aber nun erkenne ich deutlich, dass The Verve mehr ist als Richard Ashcroft “+ X”. Und außerdem wird klar, dass The Verve bislang ausschließlich gute bis sehr gute Alben veröffentlicht haben. 

8 Punkte.    


Oliver: 
Was habe ich eigentlich 2008 gemacht? Offensichtlich nicht mit The Verve beschäftigt. „Forth“ höre ich im Zuge der Revision tatsächlich zum ersten Mal – und das, obwohl Ingo sie sogar hier vorgestellt hat. Schlecht ist das Album nicht, kommt aber punktemäßig nicht an die anderen heran.

7 Punkte


Volker:
-

Gesamturteil: 7,000 Punkte


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