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23. Juli 2020

JARV IS... - Beyond The Pale


So, jetzt erzähle ich aber wirklich zum letzten Mal vom Norður Og Niður-Festival, das Sigur Rós Ende Dezember 2017 in Reykjavik organisierten. Neben den Auftritten der isländischen Band selbst, lockten uns auch zwei sehr ungewöhnliche Bestätigungen nach Island: ein ungewöhnlicher Soloauftritt von Kevin Shields (My Bloody Valentine) sowie ein rares Konzert von Jarvis Cocker, dessen letztes Album zu diesem Zeitpunkt bereits 9 Jahre zurück lag.

Am Vortag seines Konzertes hielt Jarvis einen recht spontan angekündigten und unterhaltsamen mit „The Extraordinary“ betitelten Vortrag, in dem er Bilder aus seiner Vergangenheit zeigte, Songtexte rezitierte, deren Entstehungsgeschichte erklärte und auf äußerst amüsante Art und Weise über Vorbilder, Einflüsse und seinen Werdegang berichtete. Außerdem spielte er zur akustischen Gitarre den ersten, niemals aufgenommenen Pulp-Song "Shakespeare Rock“. 
Bei seinem eigentlichen Auftritt, der das Festival beschließen sollte, trat er dann überraschenderweise mit einer kompletten Band auf, bot einen Song von Pulp, mehrere Lieder aus seinen beiden Soloalben und einige neue Songs dar. Die damit berechtigte Hoffnung auf ein weiteres Soloalbum von Jarvis Cocker hatte sich seitdem nicht erfüllt - statt dessen gibt es nun „Beyond The Pale“, das Album des Projektes namens JARV IS…. Denn wie sich herausstellte, wurde die Band extra für den Festivalauftritt gegründet und die neuen Songs von den Musikern gemeinsam einstudiert. Bei späteren Auftritten wurden die Lieder weiter verfeinert, teilweise live aufgenommen und nun als Album herausgebracht.

Bereits beim Konzert in Reykjavik ließen mich viele der neuen Lieder an die Phase von Pulp denken, bevor ihnen der große Durchbruch gelang. Und so könnten „Must I Evolve?“ oder „House Music All Night Long“ durchaus vom 1989 aufgenommenen und 1992 veröffentlichten Album „Separations“ stammen, das schon Elemente aus Indiepop, Synthpop, IDM und Acid House zu verbinden suchte. 

JARV IS… sind Jarvis Cocker (Gesang, Gitarre, Percussion), Serafina Steer (Harfe, Keyboards, Gesang), Emma Smith (Geige, Gitarre, Gesang), Andrew McKinney (Bass, Gesang), Jason Buckle (Synthesizer) und Adam Betts (Schlagzeug, Percussion, Gesang). „Beyond The Pale“ bietet 7 Songs 40:12 Minuten und ist als CD, Kassette und LP erhältlich. Plattensammler können folgende limitierte Auflagen finden: clear, transparent glow in the dark, orange translucent und yellow clear Vinyl.




Beim Opening-Track Save The Whale referiert Cocker in Leonard Cohen-Manier „embrace the darkness and all that it entails” vor 90er-Jahre inspirierten Synthieklängen und lieblichen Chören. Gepaart mit dem Pizzicato-Zupfen und den berauschenden Klängen der Harfenistin Serafina Steer und der Geige von Emma Smith, ist Cocker tatsächlich auf der Höhe der Zeit und eindeutig auf einem neuen Höhepunkt seines Schaffens. Highlight der Platte ist die eingängige Debütsingle Must I Evolve. In dem tanzbaren Psych-Rock-Track geht es um nichts Geringeres als die Entwicklung der Menschheit. In Cockers gewohnter Energie beschreibt er, wie wir alle vom Urknall zu einem Rave in einem Tunnel in der Nähe der M25 kommen, wo jemand seine Drogen auf einem Feld verliert und stellt damit die unvermeidliche Frage: Sind wir wirklich so weit gekommen, wie wir glauben? Sometimes I am Pharaoh erzählt aus der Perspektive von StraßenkünstlerInnen, die in der Nähe von berühmten Monumenten zu finden sind und Menschen beobachten. Der morbide, eiskalte elektronische Klang ist die perfekte Ergänzung zu den eingängigeren Nummern. Der ungewöhnliche Refrain vom letzten Track des Albums, Children of the Echo, hält Cockers stärksten Melodien stand. Besonders Adam Betts eindringliche Schlagzeugarbeit bleibt hier im Ohr.




Jeder der nur sieben fabelhaften Songs auf „Beyond the Pale“ würde auch auf ein Pulp- oder auch Soloalbum von Jarvis Cocker passen und dabei einen guten Eindruck hinterlassen. Jarvis gibt den Leonard Cohen („Save The Whale“ und auch „Swanky Modes“), feiert eine Party („House Music All Night Long“) oder fragt sich, ob er sich weiterentwickeln sollte („Must I Evolve“, die Antwort der beiden Sängerinnen Serafina Steer und Emma Smith ganz klar: „Yes, yes, yes, yes“). Dabei klingen JARV IS nach Roxy Music, Bowie, Yello und vor allem: nach Pulp.



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