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14. August 2020

James Dean Bradfield - Even In Exile


Die Liste der Künstler, die ihrem Werk das Schaffen von Víctor Lidio Jara Martinez würdigen und an seinen gewaltsamen Tod durch das putschende chilenische Militär 1973, der erst vier Jahrzehnte später aufgearbeitet wurde, erinnern, ist lang: Joan Baez, The Clash, Simple Minds, U2, Calexico und und und… 

Nun reiht sich auch James Dean Bradfield ein, der 14 Jahre nach „The Great Western“ sein zweites Soloalbum veröffentlicht und sich auf diesem dem Leben und Tod des chilenischen Musikers, Theaterregisseurs und politischen Aktivisten widmet. Die Texte stammen aus der Feder des walisischen Autors Patrick Jones, der nebenbei der ältere Bruder des Manic Street Preachers-Bassisten Nicky Wire ist, und haben teils konkrete biographische Bezüge, teils eher traumhafte und undurchsichtige Stellen. Diese Zusammenarbeit gab es bereits schon einmal, nämlich auf dem Song „Fragments“, der sich auf „Lifeblood“ (2004), dem siebten Album der Manic Street Preachers befindet. 

Neben 10 eigenen Songs präsentiert uns Bradfield auf „Even In Exile“ mit „La Partida“ auch ein Lied von Víctor Jara. Auch wenn einige Titel sehr deutlich nach den Manic Street Preachers, die nächstes Jahr ein neues Album veröffentlichen wollen, klingen („The Boy From Plantation“, „Without Knowing The End (Joan’s Song)“), nimmt sich James Dean Bradfield viel Raum zum Experimentieren („There’ll Come A War“) und seinen zahlreichen musikalischen Einflüssen („Moving Pictures“ von Rush, „Heaven And Earth“ von Kamasi Washington, „Meddle“ von Pink Floyd, „The Marble Index“ von Nico, „Never Stop 2“ von The Bad Plus, „The Beaten Generation“ von The The und die Musik von Alessandro Alessandroni) Tribut zu zollen. Dazu nutzt er vornehmlich die instrumentalen Stücke wie „Seeking The Room With The Three Windows“ und „Under The Mimosa Tree“, die Krautrock auf südamerikanische Folklore auf düstere Elektronik treffen lassen.


   


Stilistisch decken die elf Songs eine beachtliche Bandbreite ab und überzeugen auch dort, wo sie kein unbekanntes Terrain betreten. "The boy from the plantation" trumpft mit dem typischen Manics-Bombast auf, "There'll come a war" erzeugt mit Klavier und Drumcomputer eine Atmosphäre der Beklemmung. Vage vertraut klingt auch "The last song", das nach balladeskem Beginn nicht zu Ende kommen mag, sondern lieber noch einen Ausflug in Richtung Kraut und Progrock unternimmt. Was in der Wahl der Formen und Mittel zunächst vielleicht noch willkürlich wirkt, erweist sich doch als überaus gut an die jeweilige Situation und Stimmung angepasst. Da finden sich einerseits Momente des optimistischen Aufbruchs und der zaghaften Euphorie, andererseits solche der Enttäuschung und Trauer. Das Leben eines musizierenden Revolutionärs, gebannt in ein Album. Nicht frei von Überhöhung und Verklärung, aber gerade deshalb mitunter so mitreißend und ergreifend. 


 


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