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16. Juli 2020

Gordi - Our Two Skins


„Mit Auto-Tune-Malus sind es noch 6 Punkte.“ 
So richtig angetan war ich von „Reservoir“, dem Debütalbum von Gordi, nicht. Nur gut, dass die aus Australien stammende Sophie Payten für „Our Two Skins“ diese Pop- und Auto-Tune-Haut abstreift und uns ein intimes Folktronic-Album präsentiert. 

Dazu lud sie Chris Messina (Bon Iver, Bruce Hornsby, Big Red Machine, The Staves) und Zach Hanson (Bon Iver, Hand Habits, Tallest Man on Earth, Low, Waxahatchee) in die Abgeschiedenheit von Canowindra, ein kleines Örtchen, in dem ihre Familie seit über einem Jahrhundert lebt, ein. Ausgestattet mit ihren jeweils fünf Lieblingsinstrumenten und Studio-Tools nahmen die drei Musiker ohne viel schädlichen Schnickschnack die zehn Songs auf und verschafften in diesem reduzierten Rahmen Paytens tiefer Stimme und ihren Songideen ausreichend Raum. Thematisch setzt sich die Musikerin, die seit ihrem letzten Album ihr Medizinstudium beendet und aufgrund einer neuen Beziehung (und ihrer katholischen Erziehung trotzend) ihre Geschlechts-Identität neu definiert hat, mit dem Prozess der Selbstfindung und -erkenntnis auseinander. 

„Our Two Skins“ kann alternativ zur regulären schwarzen Schallplatte auch als limitierte orange-and-blue swirl Vinyl oder crisp white Vinyl käuflich erworben werden.






Das Album lässt viel Klangraum der markant-charakterstarken Stimme – mit der Gordi schon als Background-Sängerin von Bon Iver aufgefallen ist. Beim Zursprachebringen ihrer neu entdeckten nicht-monosexuellen Identität hätte sie vielleicht noch etwas klarer werden können, aber insgesamt ist ihr das Kunststück gelungen, ein Album zu machen mit super eingängigen Melodien, die mit ihren salzigen Noise-Details vor zu viel Wohlklangzuckerwatte bewahrt werden. So könnte Lorde klingen, wenn sie Aimee Mann nacheifern würde.






Die existenzielle Natur, die hier inhaltlich vorherrscht, lässt sich auch musikalisch nachverfolgen, und zwar direkt vom ersten Klavierton vom ersten Song Aeroplane Bathroom. Fein akzentuierte und bald verhallende Akkorde leiten den zerbrechlichen Gesang von Payten ein, der nichts weniger als einen inneren Zusammenbruch inszeniert. Für ganze sechs Minuten hält sich diese Spannung aufrecht, entwickelt zum Ende hin durch den gefühlvoll vorgetragenen instrumentalen Charakter eine sphärische Spannung und entlässt uns als Zuhörende schließlich zart hinaus, bevor dann das weitaus rhythmischere Unready in seinen eigenen Bann lockt. Hier, wie auch auf dem folgenden Sandwiches warten zwei poppigere Stücke auf, irgendwo zwischen Folk und Electronica – die zwar die melancholische Atmosphäre des Openers brechen, aber Gordis Talent für vielschichtige Produktionen offenlegen. Es folgen im Herzen des Albums mit Volcanic und Radiator ein Balladenpaar, das in seiner wundervollen Fragilität an Aeroplane Bathroom fast heranreicht. Die beiden Stücke beschreiben den inneren Drang, einer geliebten Person nahe zu sein und ergründen dabei ineinander verstrickte Gefühlswelten, wie etwa im bewegenden Volcanic, das zu den stärksten Stücken von Our Two Skins gehört: „I have these moments where I panic / When I shut down and go manic / So eruptive and destructive like within I am volcanic“. In ähnlicher gefühlvoller Manier präsentiert sich Look Like You, während Limits und Free Association wieder poppig-rockigeres Terrain betreten. 


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