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14. April 2015

Rah Rah - Vessels
























Beim letztjährigen Maifeld Derby lieferten sich Feurd von The Elwins und Jeff Romanyk von Rah Rah ein Kopf an Kopf Rennen um den auffälligsten Schnurrbart. Feurd siegte um Haareslänge. Wie passend, dass die beiden Bands nun an 6 Terminen gemeinsam durch Deutschland touren und nacheinander die Bühnen betreten (Termine siehe unten), da kann der Wettstreit in eine neue Runde gehen oder es können Bartpflegetipps ausgetauscht werden.

Sowohl The Elwins ("Play For Keeps") als auch Rah Rah präsentieren dabei ihre neue Alben und diesmal dürfte das kanadische Quintett den Sieger stellen, denn "Vessels" kann mit folgenden Pfunden wuchern: mit Marshall Burns und Erin Passmore sowie Kristina Hedluna gibt es gleich drei unterschiedliche Sänger(innen), die die Leadvocals übernehmen, feiner, von Gitarre, Bass und Schlagzeug getriebener Power-Pop, der mit "Be Your Man" oder "Good Winter" zwei potentielle Hits bereit hat, einprägsame, mehrstimmige Refrains sowie Boy/Girl-Gesang, dezent eingesetzte Synthesizer, wie bei "In Space" oder dem an Blondie erinnernden und in Richtung New Wave tendierenden "Chip Off The Heart" (noch so ein Single-Kandidat).

"Vessels" ist das mittlerweile vierte Album der 5-köpfigen Band, von denen ich bisher Joel Passmore, Erins Bruder, unterschlagen hatte. Produziert wurde es, wie auch schon sein Vorgänger von Gus Van Go und Werner F. "Breaking Hearts" (2010) und "The Poet's Dead" (2012) kamen bei Platten vor Gericht bisher auf einen Punktedurchschnitt von 7,333 bzw. 7,250 - das dürfte "Vessels" auch gelingen.


„Good Winter“ hieß die erste Vorabsingle des neuen Rah Rah Albums. Doch der luftig-leichte Indie-Pop funktioniert keinesfalls nur in der dunklen Jahreszeit. Gemeinsam mit dem ebenfalls im Vorwege veröffentlichten „Chip Off The Heart“ sind auch die Eckpfeiler in die Grundatmosphäre des Albums der Kanadier eingerammt. Die Songs der Band leben von ihrer Dynamik, die manchmal in überbordende Spielfreude ausufert und oft zum Tanzen auffordert. Die wechselnd weiblichen und männlichen Leadvocals sorgen für ein zusätzliches interessantes, weil geschickt eingesetztes Stilmittel. Auch in den schwelgerisch-melancholischen Momenten bleibt die Stimmungslage lebensbejahend, so wie  im Fall von „All I Got Is Today“, das die Band musikalisch in die Nähe der Landsleute von Arcade Fire rückt. Ansonsten bedient man sich musikalischer Einflüsse von New Wave über Neo Folk bis zu Power Pop, die man als Versatzstücke in den Kompositionen findet.
(Plattenladen Tipps)




Live sind Rah Rah ein echtes Abenteuer. Wilde Wechselspiele durch's Instrumentarium und am Mikrofon, jede Menge Herzblut und der ein oder andere Spezialeffekt führen dazu, dass auch jeder noch so ignorante Festivalgänger montags seinen Arbeitskollegen von dieser Band berichten kann. Und doch scheint der Mainstream nicht das Ziel der Kanadier sein, dafür sind sie viel zu abwechslungsreich und ein Quäntchen zu komplex.
"Vessels" ist ziemlich nah am 2012er Vorgänger "The Poet's Dead" – ein bisschen poppiger vielleicht, was sich an Songs wie "Chip Off The Heart" oder "Wolf Eyes" äußert. Die Band behält ansonsten aber ihren Stil bei, bleibt schwer zu vergleichen, hat etwas ganz Eigenes und liefert immer wieder kleine Hymnen zu klassischen popkulturellen Themen. Gutes Pop-Songwriting trifft auf raffinierte und temporeiche Arrangements. "Was will man mehr?", könnte man fragen. Nun ja, leider springt der Funke nicht immer über. Wer "Rah Rah" live gesehen hat, weiß, wie viel Energie diese Band hat. Bei den Aufnahmen ist vieles davon auf der Strecke geblieben: Die Produktion ist dick, doch es fehlt an Dynamik, sodass "Vessels" leider nur halb so mitreißend ist, wie es das Potential dieser Band vermuten lässt.
(éclat)

Rah Rah in Deutschland:
16.04.15 Frankfurt, Das Bett
17.04.15 Essen, Weststadthalle
18.04.15 Freiburg, Räng TengTeng
21.04.15 München, Milla*
22.04.15 Erlangen, E-Werk*
23.04.15 Leipzig, Moritzbastei*
24.04.15 Dresden, Beatpol*
25.04.15 Berlin, Privatclub*
26.04.15 Hamburg, Knust*

* gemeinsam mit The Elwins


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