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7. April 2015

Love A - Jagd und Hund























Platten vor Gericht fragt - Joerg antwortet (II)


Punk lebt noch, oder?

Ach Punk ist doch eigentlich so ein scheiß Begriff. Punk ist ja schon vor Jahren endgültig da gelandet, wo Punk ursprünglich immer hin sollte. Nämlich in den Regalen von H&M. Aber wir reden ja von Musik und nicht von Mode. Lässt man den reaktionären Teil, der seit 40 Jahren zwischen Iro, Parolen und Geschrammel vor sich hin stagniert weg, dann lebt Punk. Ja.      


Der Refrain des abschließenden „Brennt alles nieder“ wird von einem Jugendchor gesungen. Also Jugendchor besser als der gestrige Damenchor?

Wenn der Song toll ist, dann ist ja (fast) egal, welcher Chor den Refrain singt. Hauptsache es ist nicht Ina Müllers Shantychor.   


Gibt es – außer “Brennt alles nieder, fickt das System” – noch weitere Textzeilen oder Parolen, die sich bei dir eingebrannt haben?

Love A haben das mit den großen Sätzen echt drauf. Besonders mag ich: 

“Auf meiner Jutetasche steht: „Verpiss Dich, Adolf!“ Und auf Deiner? „Hey ho, let’s go.“ “ 
(aus “Der beste Club der Welt“)

“Meine Narben werden heilen mit der Zeit Die kalte Angst im Nacken, die bleibt gleich.“ 
(aus “Lose your illusion“)


„Jagd und Hund“ dreht sich auf deinem Plattenspieler, weil...

... man 2015 an Love A einfach nicht vorbeikommt. Da ist viel Wut und Energie drin. Verpackt in tolle Songs. Ich mag die vielen unverzerrten / nur leicht angezerrten Gitarren sehr gerne. Das wirkt auf mich immer sehr viel unkalkulierter, direkter und klischeefreier. Das fand ich schon bei der Band “Trend“ sehr cool.   


Angenommen, du nimmst ein Mixtape auf. Welchen Song von Love A würdest du auswählen und zwischen welchen Songs würdest du ihn positionieren?

Ich würde “Trümmer“ nehmen und zwischen “Gummiwände“ von Oma Hans und “One Armed Scissor“ von At The Drive-In setzen. 





Doch Love A sind nach wie vor für jeden Blödsinn zu haben, und ihre neue Platte vereint gleich zwölf äußerst hörenswerte Songs. Doch schimmert hier und da auch eine Entwicklung durch: Düsterer, melancholischer als früherer Stoff etwa ist das tolle "100.000 Stühle leer" geraten. Mit seinen kühlen Postpunk-Gitarren und dem im Hintergrund lauernden Bass ist das Stück beispielhaft für die etwas ernsteren Love A – für die Punk auch weiterhin mit sich Erheben und Handeln zu tun hat: "Nur wer mal aufgestanden ist / Der darf sich setzen / Darum bleiben hier so viele Stühle leer." In "Toter Winkel" verharrt man in einer vom System unbeleuchteten Nische, heftet sich an kaum noch hektische, dafür matt-schimmernde Wave-Gitarren und gönnt sich einen würdigen Refrain. Die deutlich professionellere und üppigere Produktion spielt dem Vierer bereits hier positiv in die Karten. (...)
Ja, Love A teilen weiterhin aus – zum Glück! Wettern in "Der beste Club der Welt" gegen Dauermüll labernde Szene-Menschen, die den Weg aus dem Club ins nächste Hipster-Café nicht finden, türmen "Trümmer" gegen hirnbefreite Gimmicks des digitalen Lebens auf und prangern Stillstand und individuelle "Stagnation" an. Bei "Brennt alles nieder", der abschließenden Generalschelte am Großen und Ganzen, stimmt gleich ein ganzer Gymnasial-Chor in den Abgesang aufs System ein. Sänger Jörkk keift und bellt 2015 vielleicht mehr ganz so ungestüm, dafür aber mit Weitblick. Ein bisschen wie ein Aktivist, der genervt am Tellerrand dieser Republik ausharrt und die sich in Unmündigkeit und Angstprojektionen flüchtenden Mitbürger dazu bringen möchte, endlich den überfälligen Blick in den vorgehaltenen Spiegel zu wagen. Ein Hundeleben.
(Plattentests)






Love A auf Tour:
24.04. Düsseldorf – Zakk
25.04. Kassel – Goldgrube
26.04. Berlin – SO 36
28.04. Potsdam – Waschhaus
29.04. Leipzig – Moritzbastei
30.04. Heidelberg – Häll
01.05. Wiesbaden – Schlachthof
02.05. Koblenz – JAM

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