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16. September 2020

Declan McKenna - Zeros


Was haben wir eigentlich so mit 15 Jahren gemacht? „Das schwarze Auge“ oder am Commodore „International Soccer“ gespielt und dazu Musik von Madonna, Frankie Goes To Hollywood, Depeche Mode, Talk Talk und a-ha gehört? Auf jeden Fall keinen Protestsong gegen Korruption und die FIFA komponiert und veröffentlicht, der in mehreren Ländern in die Charts kam. So cool wie der heute 21-jährige Declan McKenna waren wir einfach nicht.
Mit 16 Jahren gewann McKenna die „Emerging Talent Competition“ des Glastonbury Festivals und mit 19 Jahren veröffentlichte er sein Debütalbum „What Do You Think About The Car?“, das nur knapp an den Top Ten seiner britischen Heimat scheiterte.

Mittlerweile ist das zweite Album des Singer/Songwriters nach mehreren Corona bedingten Verschiebungen erschienen, wurde mit Lob überschüttet und stürmte im Vereinigten Königreich bis auf Platz 2 der Charts. Nur das wiederveröffentlichte „Goats Head Soup“ (1973) von den Rolling Stones verhinderte - aufgrund auf 800 mehr verkauften Einheiten - den Sprung auf die Spitzenposition. Aber damit kann Declan McKenna vermutlich gut leben, denn für „Zeros“ benennt er viele Referenzen aus den 70er Jahren, wie Bob Dylan, The Waterboys und Crosby, Stills and Nash. Nicht vergessen werden darf hier der Glam-Rock von David Bowie, Queen oder T.Rex. Und dass kaum eine Plattenkritik ohne die Erwähnung der Arctic Monkeys auskommt, hat auch eine gewisse Berechtigung. 


 


Moderne Spielereien können hier ganz entspannt neben Retro-Motiven stehen, so auch in "Rapture". Der Titel erinnert gleichzeitig am ehesten an den Indie Rock, den man sonst aus McKennas Heimatland gewohnt ist, die Gesangsmelodie im Refrain könnte auch von den Kooks stammen. McKenna lässt aber auch dieses Stück wieder ins Chaos kippen. Besonders überzeugend ist der treibende Opener "You Better Believe!!!", in dessen Mittelpart der Sänger immer schneller und wütender zu werden scheint, am Ende bringt er den Song zu einem ruhigen Ausklang.
Natürlich ist die Gitarre immer noch das Kerninstrument, mal in gezupfter Form, wie in "Emily", mal wild und verzerrt, wie im grandiosen Noise-Endpart von "Twice Your Size". Stellenweise erinnert "Zeros" an "Tranquility Base Hotel & Casino" von den Arctic Monkeys, feuert dessen Lounge-Pop allerdings ordentlich an. Am anderen Ende der Referenz-Skala von Bowie-Bewunderern steht der Garage Rock von Ty Segall, den McKenna aber deutlich entschärft. 


 


Okay, man kann es nicht verleugnen: Produzent James Ford hat auch viel mit den Arctic Monkeys, gewerkelt. Das hört man diesem Album sehr an, bis hin zu einzelnen Riffs und McKennas expressiver Intonation. Und es passt ganz wunderbar, denn McKenna gehört nicht ins stille jämmerliche Kämmerlein, sondern ins Stadion, in einer Welt, die alle Queerhasser dort rauswirft und Platz für einen zarten Jungen mit Glitter im Gesicht macht. So lang sie das nicht tut, wird Declan McKenna eh Protestlieder schreiben. Danach hoffentlich aber auch.


 


Declan McKenna (möglicherweise) live in Deutschland:
01.05.21 Berlin, Heimathafen Neukölln
06.05.21 Hamburg, mojo club
07.05.21 Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld


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