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17. September 2016

Die Höchste Eisenbahn - Wer bringt mich jetzt zu den Anderen




















PVG: Du lobst ständig Teles „Wovon sollen wir leben“. Also müssen wir dringend über die andere Band von Francesco Wilking sprechen, oder?

Volker: Da über Tele, eine der besten deutschen Bands aller Zeiten, viel zu wenig gesprochen wurde, können wir ja versuchen, das ein wenig gut zu machen. Wobei wir da Moritz Krämer vergessen, dessen Solo-Album ich hier vor Jahren ja auch schon gelobt habe. Schon damals warst nur du nicht zu überzeugen.

PVG: Ja, es ist nicht leicht mit mir... Mit dem besten Tele Album wollen wir „Wer bringt mich jetzt zu den Anderen“ jetzt aber gar nicht messen, sondern mit der Vorgängerplatte „Schau in den Lauf Hase“. Also?

Volker: Puh, das ist eine ganz schwierige Frage, da ich von dem Vorgänger erst mal etwas enttäuscht war. Gerade vor ein paar Wochen beim Wiederhören habe ich aber gemerkt, dass das Album an vielen Stellen doch besser ist als gedacht. Und ein ganz ähnliches Gefühl beschleicht mich auch bei „Wer bringt mich...“, wobei das Album schon etwas schneller zündet. Und gerade im Mittelteil und gegen Ende, wo es mehr an Tele (sorry Moritz) erinnert, gefällt es mir schon ausgesprochen gut.

PVG: Louie, Kette, Timmy oder Lisbeth? Was ist denn dein aktueller Lieblingsprotagonist?

Volker: Eigentlich ist mir die ganze Gang lieb und teuer, aber nachdem "Mario" damals beim Bundesvision Gedöns - hier der Auftritt, der meines Erachtend sehr gut das geschmeidig Beschwingte der Musik von Tele gut rüberbringt -  gescheitert sind (in Ländern wie Frankreich oder Italien wären sie meines Erachtens Stars geworden), wäre jetzt vielleicht mal Timmy dran. 

PVG: Volker, du bist ja nicht nur Wilking-Anhänger, sondern auch Moritz Krämer-Fan. Auf wessen Gesang freust du dich denn bei Die Höchste Eisenbahn mehr? 

Volker: Das ist einer der kleinen negativen Punkte, die mich bis dato ein wenig stören, der Gesang wirkt auf mich etwas schlecht abgemischt, ein klein wenig verwaschen. Davon ab, mag ich aber tatsächlich beide Stimmen sehr gerne, weil beide sehr speziell sind (nicht so Allerweltkonsensstimmen), und jeweils eine sehr eigene Stimmung transportieren.

PVG: Und was sind die beiden besten „Wilking- bzw. Krämer-Songs“ auf dem Album?

Volker: Sorry, dafür muss ich das Album noch öfter hören. Momentan wechseln die Lieblingslieder noch ständig.

PVG: Nach der Supergroup mit Wilking und Krämer fehlt jetzt für dich nur noch die ultimative Band mit…

Volker: Fish und Marillion. Nein im Ernst, leider sind Supergroups doch in sehr sehr vielen Fällen kleiner als die Summe ihrer einzelnen Teile.

PVG: Bernd Bergemann sagt: „"Wer bringt mich jetzt zu den Anderen" hat keine Füller, keine Ausfälle, keine Vor-Skip-Nummern.“ Stimmt das?

Volker: Kann man definitiv so hören, das Album hat schon einen sehr angenehmen Flow ohne die ganz großen Ausreißer nach oben oder unten. Aber auch auf all den oben schon genannten Veröffentlichungen von Krämer und Wilking, war Skippen eigentlich nie ein Thema (ok, das Soloalbum von Francesco „Die Zukunft liegt im Schlaf“ hat mich damals nicht wirklich überzeugt, aber das unterschlagen wir hier mal).

PVG: Das gestern besprochene „Crab Apple, Wild Cherry And Slow“ von Tom Liwa erschien bei Grand Hotel van Cleef, „Wer bringt mich jetzt zu den Anderen“ über Tapete Records. Die deutschen Label könnten dir doch gut ein Schallplatten-Abo anbieten, oder?

Volker: Ich bin sehr froh, dass es mittlerweile ein paar deutsche Label gibt, die auch dem deutschrachigen Pop/Singer-Songwritertum ein Zuhause bieten. Der Gesamtkatalog von Tapete ist mir manchmal allerdings einen Tacken zu „entspannt“. So lange die aber alten Helden wie Lloyd Cole oder Stephen Duffy (The Lilac Time) immer mal wieder Zuflucht gewähren, soll mir das mehr als Recht sein.

PVG: Wir haben zusammen ein Tele Konzert besucht. Letztes Jahr habe ich dann ohne dich Die Höchste Eisenbahn gesehen (und es war tatsächlich sehr unterhaltsam). Wann und wo, schließlich bist du der Fan, holst du auf?

29.10.16 Rostock - Peter Weiss Haus
30.10.16 Bremen - Tower
31.10.16 Münster - Gleis 22
01.11.16 Frankfurt - Zoom
02.11.16 Köln - CBE
04.11.16 Hannover - Musikzentrum
05.11.16 Dresden - Beatpol
06.11.16 Leipzig - Täubchenthal
08.11.16 Osnabrück - Kleine Freiheit
09.11.16 Essen - Zeche Carl
10.11.16 Würzburg - Cafe Kairo
11.11.16 Magdeburg - Moritzhof
13.11.16 Berlin - Astra
15.11.16 Erlangen - E-Werk
16.11.16 Freiburg - Jazzhaus
17.11.16 Stuttgart - Wagenhallen
18.11.16 Schaffhausen - Tap Tab
19.11.16 Zürich - Bogen F (Viadukt)
21.11.16 München - Strom
22.11.16 Wien - Chelsea
23.11.16 Innsbruck - Die Bäckerei
24.11.16 Heidelberg - Halle02
25.11.16 Erfurt - Museumskeller
26.11.16 Hamburg - Uebel & Gefährlich
18.02.17 Köln - Gloria
19.02.17 Hamburg - Große Freiheit 36

Volker: Du warst auf einem Konzert von Die Höchste Eisenbahn? Ohne mich? Das kann nur auf einem Festival oder in deinem Wohnzimmer gewesen sein. Mal schauen, ob ich Frankfurt oder Köln schaffe. Du weißt ja: das Alter, die Kinder, der Stress.... Vielleicht schreiben Francesco und Moritz ja mal ein Lied über mich. 

PVG: In mein Wohnzimmer wärest du doch selbstverständlich eingeladen gewesen, hättest aber, wie in  bisher 7 von 8 Fällen wohl abgesagt. Es war letztes Jahr beim sehr zu empfehlenden (auch oder gerade für Eltern mit ihren Kindern) A Summer's Tale Festival.  
Und zum Abschluss werden wir noch investigativ: Im PVG-Headquarter munkelt man, dass dir deine Frau den Pullover vom Cover von „Schau in den Lauf Hase“ gestrickt hat, den du immer beim Hören von Die Höchste Eisenbahn trägst. Stimmt das wirklich?

Volker: (schweigt, vielleicht ein bisschen verlegen)




Die Stärken der Gruppe liegen in einem Gespür für schöne Melodien, einem sphärisch-zarten Sound, einem beiläufigen Fabulieren über Befindlichkeiten ohne plakatives Sloganeering und dazu dem schlaftrunken-schnoddrigen Gesang abwechselnd von Krämer und Wilking.
Ihr Sammelsurium an Liedern wabert nonchalant herum und schleicht sich geschmeidig ins Gemüt. Die Band beherrscht die Kunst der Zwischentöne. Viele Songs flimmern vor subtilem Weltschmerz: das Leben als Schwebezustand. Auch schön der charmante Titelsong: »Frag mich, ob wir uns wieder verlieren. Und sag’ nicht, auf jeden Fall«. Oder die Ballade »Nicht atmen«: »Wer gießt die Formen, die dir sagen, wie du sein musst«. Im letzten Drittel geht der Platte leider etwas der Atem aus. Schlagerlyrik wie »Unsere Liebe wird aufgehen wie eine Blume« schmälern den positiven Gesamteindruck aber nur ein wenig.
(intro)




Schon der Opener der neuen Die-Höchste-Eisenbahn-Platte hat einen derart angenehmen Schwung, dass das Album nur ein gutes werden kann. "Wir haben so lange nachgedacht, bis wir wütend waren" liefert ein kraftvolles Statement gegen Kopfwichserei, ohne dabei jemals laut zu werden. Der Wechselgesang der beiden Frontmänner – neben Wilking bekanntlich Moritz Krämer – harmoniert perfekt, die Musik erklimmt freudvoll höchste Höhen. So funktioniert Popmusik! Das vor Albumrelease ausgekoppelte "Lisbeth" gehört ganz Krämer: Eine Jugendliebe steht im Fokus des vierminütigen Schmachtfetzens, der dabei aber viel mehr aufs Pferdestehlen abzielt als auf "bis, dass der Tod Euch scheidet". Krumme Orgeln, Flöten, ein paar Synthies und Wilking, der sich zurückhält, bis die Action naht – fein, fein.
Der Titelsong hat weniger Zugkraft im Takt, lässt sich zurückfallen, um aus der Tiefe emporzustechen. Das Warten auf den oder die Richtige lässt bisweilen den Anschluss verlieren – so, oder so ähnlich, lautet die Message von "Wer bringt mich jetzt zu den Anderen?" Eine scheue Trompete, Geigen und ein Rap-Part (na ja, fast) verleihen dem Track seinen Charme. Ein bisschen ironisch lässt Wilking im hintergründig recht fixen "Gute Leute" anklingen, was er von Smalltalk hält. Nämlich ganz genau nichts. Einsamkeit hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen Dich umgeben. Abermals poppig wird's in "Stern" trotz seiner sechsminütigen Länge oder auch in "Blume".
(Plattentests)

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