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24. Februar 2015

Sizarr - Nurture























Das hoch gelobte Debütalbum der drei Jungs aus der Pfälzer Provinz konnte auch die Richter bei Platten vor Gericht überzeugen: "Psycho Boy Happy" landete 2012 auf einem guten 14. Platz. Die damaligen Sieger, alt-J, ließen bereits letztes Jahr ihr "schwieriges zweites Album" folgen und konnten die Qualität sowie den Erfolg bestätigen (Platz 4 mit leicht schwächerem Punktedurchschnitt: 8,125 statt zuvor 8,500). Wird dies Sizarr nun auch gelingen?

Für "Nurture" arbeiteten Fabian Altstötter (Gesang, Gitarre), Philipp Hülsenbeck (Synthesizer) und Marc Übel (Schlagzeug) erneut mit dem Produzenten Mark Ganter (Casper, Tocotronic) zusammen und schoben ihren Synthie-Pop noch einmal deutlich in Richtung 80er Jahre. 

"Clam" könnte auch als eine vergessene Single von Duran Duran durchgehen und "Timesick" dürfte nicht nur Tina Weymouth und Chris Frantz, der Rhythmus-Gruppe der Talking Heads gefallen, sondern auch den Fans dieser Band, die deren poppiges Spätwerk ("Little Creatures") zu schätzen wissen. Stimmlich ist Fabian Altstötter auf diesem Stück auch recht nah an David Byrne gerückt, präsentiert sich aber auf Albumlänge einerseits gewohnt soulig, andererseits deutlich wandlungsfähiger.  
Das melancholische "Baggage Man", das mit "Einsamkeit" und "Zweisamkeit" erstmals bei Sizarr zwei deutsche Begriffe an exponierte Stelle setzt, schafft in seiner Coda den Wechsel hin zu einem optimistischen, an Red Box erinnernden Ah-li-ayo-Singsang (oder so ähnlich). "Scooter Accident" zeigt Sizarrs Mut zum Experiment, schließlich lassen sie den Song zur Hälfte abrupt abbrechen, um nach einer stillen Minute wieder an Tempo aufzunehmen, und "Untitled" konzentriert sich allein auf Gesang und Piano, umspült von Wellenrauschen. 

Auch wenn das Plattencover bestenfalls als nicht besonders gelungen bezeichnet werden kann und gegen Ende ein bis zwei Songs das hohe Niveau des restlichen Albums nicht halten können ("Slightly", "You And I"), muss man sich wirklich keine Gedanken, um ein gutes Abschneiden von "Nurture" bei Platten vor Gericht (oder anderswo) machen.          


Während das Debüt noch gut zum damals heißesten Scheiß - vor allem Alt-J und Django Django - gepasst hat, geht es nun doch einen großen Schritt zurück in die 80er. Als pränatale musikalische Spurensucher pendeln Sizarr nun zwischen großen, wavigen Pophymnen (etwa "Clam" oder "I May Have Lied to You") und verwundbaren E-Piano-Elegien für junge Liebende ("Untitled") und werden dabei zu Epigonen der Indie-Heroen von vor 30 Jahren.
Melodien und Harmonien lehnen sich da gerne an The Cures "Disintegration" und allgemein an The Smiths an, mit einem Auge schielt auch noch The Police hinter den sanften Synthiebergen hervor. Sänger Fabian Altstötter klingt dazu noch nach einem gutem Mix aus Jonathan Meiburg (Shearwater) und Zach Condon (Beirut). Gute Voraussetzungen schon mal. Dann sind auch noch nahezu sämtliche Refrains auf Indie-Hit getrimmt und die Tanzbarkeit - mal wild, mal mild - wird zum höchsten Gut erhoben. Auch deshalb fühlt sich "Nurture" nach gutem altem Freund an, schon nach wenigen Durchgängen ist man vollends damit vertraut.
Überhaupt dieser Titel, "Nurture". Ausgehend von der Erziehung geht's lyrisch dann doch wieder einmal um die großen Fragen der Existenz, dem Konflikt mit der "nature" inklusive. Alles schlüssig. Gestelzt kommt dabei nur der zwanghaft anmutende Versuch rüber, "Einsamkeit" und "Zweisamkeit" in den englischen Wortschatz zu integrieren, die sind eben noch längst keine "angst", "gemutlichkeit" und "weltschmerz".
(the gap)




Das wichtigste Organ ihrer Band Sizarr ist die melancholiegetränkte Stimme des 23-jährigen Sängers Fabian Altstötter. Sie ist auf „Nurture“, dem zweiten, angenehm düsteren Opus, wichtiger denn je. Sie wartet mit einem Paradox auf, indem sie gleichzeitig Coolness und soulige Hitzen abstrahlt. Auf „Baggage Man“ mäandert sie zwischen den großen Gefühlen, die Einsamkeit und Zweisamkeit auslösen. „Oh Einsamkeit, my interior‘s wasted land, my hips and lips lie idle, for yours to replan“, lechzt der Protagonist nach einem Gegenüber. Ist es dann da, regnet es Zweifel. „Oh Zweisamkeit, how many more repeats until I learn the differences between desire and need?“, singt Altstötter mit attraktiv brüchiger, heller Stimme. Ja, Sehnsucht war immer schon ein großes Sujet in der Popmusik. (...)
Sizarr tönen noch internationaler als auf ihrem Debüt. Mit ihren impressionistisch gesetzten Baßläufen, ihren stets verspielten Gitarrenklängen und den munteren Rhythmen, die ein kluges Gegengewicht zum existenziell schweren Gesang Altstötters bilden, könnten sie genauso gut aus Sheffield oder Birmingham kommen.
(Die Presse)



Sizarr unterwegs:
26.03. Stuttgart, Universum
27.03. Freiburg, Schmitz Katze
08.04. Bremen, Lagerhaus
09.04. Hamburg, Übel & Gefährlich
10.04. Köln, Gebäude 9
11.04. München, Strom
12.04. Nürnberg, Club Stereo
13.04. Frankfurt, Zoom
15.04. Dresden, Scheune
16.04. Leipzig, UT Connewitz
17.04. Berlin, Lido
22.-24.05. Mannheim, Maifeld Derby


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