Seiten

25. Januar 2015

Prag - Kein Abschied























Der Albumtitel "Premiere" ließ  vor zwei Jahren vermuten, dass da noch mehr folgen sollte, auch wenn man aufgrund des viel beschäftigten Tausendsassas Nora Tschirner doch ein wenig Angst um das Fortbestehen ihres musikalischen Projektes mit Erik Lautenschläger und Tom Krimi haben musste. 

"Kein Abschied" deutet nun an, dass auch nach dem zweiten Album noch nicht Schluss mit Lustig und mit Prag ist. Wer sein Album jedoch "Kein Abschied" nennt, der muss sich auch gefallen lassen, wenn man zunächst erst einmal feststellt, dass es sich klanglich und stilistisch tatsächlich um eine getreue Fortsetzung handelt. Orchestraler Retro-Pop umschreibt dies wohl treffend, Chanson und Filmmusik darf man wohl auch in die Runde werfen, Indie-Schlager wäre wohl ein wenig beleidigend. Von "lustig" darf bei den melancholisch-tröstenden, schwermütig-poetischen Texten aber gar nicht die Rede sein.

Mit "All die Narben" und "Film Noir" wurden bereits zwei der Highlights mit Videos bedacht. "Dieser Himmel" und "Aus Versehen" gehört in die gleiche Kategorie. 
Erik Lautenschläger singt erneut den Großteil der Songs, Nora Tschirner darf dies bei "Der dunkle Weg", "Halt die Luft an" und "Was fällt dir eigentlich ein" übernehmen und "All die Narben" sowie "Aus Versehen" tragen sie im Duett vor. Der digitalen Version von "Kein Abschied" wurden noch "Aus Versehen" in einer orchestralen Version, "Laut und klar" sowie "Morgentau" hinzugefügt, dafür wurde der Download-Code in der der LP-Version leider vergessen. Zudem gerieten beim Pressen der Schallplatte die Titel ein wenig durcheinander. 




Auch auf Album Nummer zwei erzählen uns Tom Krimi, Erik Lautenschläger und Nora Tschirner leicht seufzig, aber stets wohlformuliert aus ihren Gedankenhaushalten oder von Dingen, die um sie herum passierten oder passieren könnten. Das hat natürlich immer wieder mit der Liebe und verwandten Unterkategorien zu tun, aber auch mit dem Tod (stärkster Song: „Dieser Himmel“) und der Nacht mit all ihren Möglichkeiten.

Die musikalischen Rahmenbedingungen sind ähnlich angelegt wie auf dem Debüt, vielleicht einen Zacken vielseitiger, wobei das Interessante ist: Trotz dieser Verortung zwischen schwermütigem Schlager, Chanson und Morricone haben Prag eine sehr eigene Klangsprache gefunden. Es ist schwierig zu beschreiben, was die ausmacht. Ein Schleier, eine Patina, ein Nebel, irgend so was liegt über den einzelnen Liedern. Prag sind wie die 85-jährige Dame mit den sauber ondulierten Haaren, die an der Feinkosttheke des KaDeWe immer 50 Gramm Aufschnitt kauft, oder wie die Wohnung, die zwar ein wunderbares Stäbchenparkett und fünf Zimmer hat, von denen zwei aber ganz und gar unmöglich geschnitten sind: etwas umständlich, aber durchaus interessant.
(musikexpress)




Zeilen wie jene aus "All die Narben" muten an wie vertonte Gedichte. "All die Narben sind verheilt / Gib ihnen noch ein Jahr / Dann sind sie nicht mehr da." Beeindruckend, wie Versmaß und Rhythmus sich mit den Worten zu einem so sinnvollen wie schönen Ganzen zusammentun – das Gegenteil von Reim-Dich-oder-ich-fress-Dich. Dieses große Talent von Prag, mit Worten Bilder zu malen, zeigt sich auch bei "Was fällt Dir eigentlich ein", dessen Thema manchem Hörer dank Sätzen wie "Was fällt Dir eigentlich ein, so einfach weg zu sein? / Es gibt für uns doch noch so viel zu tun / Warum gerade jetzt und was mache ich nun?" nur allzu bekannt vorkommen dürfte. Alles fügt sich zu einer Handlung und letztlich zu einer Geschichte.

Lyrik also, aber die müsste man nicht auf eine CD pressen, wenn da nicht noch die Melodien und Streicher wären. Die sind nach den Texten nämlich das zweite Aushängeschild von Prag. Immerhin hat das Trio ein ganzes Orchester im Hintergrund, das die Refrains immer wieder anschwellen lässt oder traurige Zeilen melancholisch untermalt. Bei "Der dunkle Weg" setzt ein Glockenspiel Akzente, immer wieder begleitet ein Klavier den Gesang. Doch so groß dieses instrumentale Repertoire ist, das Prag da auf ihrem zweiten Album auffahren: Es dient auch dem Erzählen. Wie man es aus Operetten kennt, veranschaulicht das Piano mit seiner Melodie Erik Lautenschlägers Worte "Da hatte ihre Stimme diesen Unterton", Bass, Cello und Violinen zeichnen in "Was fällt Dir eigentlich ein" Tschirners nägelkauende Zerrissenheit nach. Und so (er)zählen bei Prag die Instrumente genauso wie die Texte: eine ganze Menge.
(Plattentests)


Prag auf Tournee:
10.03.15 Hamburg, Kampnagel
11.03.15 Köln, Kulturkirche
12.03.15 Essen, Weststadthalle
18.03.15 Dresden, Scheune
19.03.15 Leipzig, Werk 2
20.03.15 Cottbus, Gladhouse
26.03.15 Wien, Theater Akzent
27.03.15 München, Strom
30.03.15 Berlin, C-Club


5 Kommentare: