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20. Mai 2010

CocoRosie - Grey Oceans

















Außen pfui, innen hui! Es gab dieses Jahr schon einige schön hässliche Cover, aber "Grey Oceans" dürfte in seiner Gesamtheit Spitzenreiter sein. Den Augen tut das vierte Album von CocoRosie weh, für die Ohren ist es eine Wohltat - wenn man denn die Stimmen der beiden Damen ertragen kann, denn selbstverständlich krächzt sich Bianca (Coco) weiterhin durch die Songs, während sich Sienna (Rosie) wieder in ihren opernhaften Arien verliert.
Doch "Grey Oceans", der vierte Wurf der Casady-Schwestern, hat auch überraschendes zu bieten: Die Hip Hop-Anleihen, die den Vorgänger noch bereicherten, sind fast gänzlich verschwunden, die schrägen Geräusche und Soundfetzen der ersten beiden Platten sind zwar noch vorhanden, wurden jedoch glatt gebügelt und in den Hintergrund verschoben und mit Gaël Rakotondrabe haben Bianca und Sienna einen zusätzlichen Mitstreiter in ihre so eigene Zauberwelt entführt, der die Songs nicht nur um Piano-Klänge erweitert, sondern auch in ruhigere und entspanntere Gewässer steuert. Dadurch könnten CocoRosie neben einem neuen Label (Sub Pop) auch neue Hörer gewinnen...





"Lemonade" Video





"Fairy Paradiese" Live-Video

Im verführerischen Wechsel der Stimmen - die eine keck, die andere klassisch - öffnen die Schwestern Bianca und Sierra Casady tiefe Abgründe. Schon beim Hüpfspiel "Hopscotch" fließen bei aller Honky Tonk-Begeisterung die ersten Tränen ("I got a hopscotch tear drop / ready to drop"), bis spätestens mit der Gruselballade "Undertaker" klar wird, was das Album so stark macht: Das alles ist nicht bloß ein Spiel. Es geht um Leben und Tod.

Ob "R.I.P. Burn Face", das in einem elektrisierten Mantra den Verstorbenen nachtrauert, oder "Gallows", das mit verhallter Akustikgitarre von einer Hinrichtung erzählt: Überall Vergänglichkeit. Doch damit nicht genug. Seinen Höhepunkt erreicht das Album im Jenseits des Titeltracks "Grey Oceans". Bei klaren Klavierklängen erscheint Biancas leicht versetzte Stimme genau richtig. Sogar seltsame Textzeilen machen beinahe Sinn: Seelen von Würmern flattern mit Rosenkränzen vorbei? Wer weiß, es könnten Schmetterlinge sein.

Zwischen den Welten entdecken Cocorosie den Pop. "Lemonade" erreicht die perfekte Spannung zwischen einer Mordgeschichte, die von Klavier und Bläsern getragen wird, und einem 50s-Refrain, der in seiner übersüßten Art veranschaulicht, wo das Grauen herkommen könnte. Im letzten Stück fällt dann der Vorhang: "Here I Come" gelingt mit Souldivengesang und Nintendo-Tonspur ein gebührendes Finale für ein kleines, fast erwachsenes Kunstwerk.
(laut.de)





Das Cover der Vinyl-Version ist anders - aber auch nicht besser.

CocoRosie auf Kultur-Trip durch Deutschland:
20.07. Stuttgart, Wagenhallen
21.07. Kassel, KulturZelt
23.07. Jena, KulturArena

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