Jetzt aber der wirklich letzte Nachtrag einer vergessenen Platte vor Weihnachten: Und was könnte unpassender zu ...

Schnipo Schranke - Satt
























Jetzt aber der wirklich letzte Nachtrag einer vergessenen Platte vor Weihnachten: Und was könnte unpassender zu den anstehenden besinnlichen Feiertagen, den liebevoll geschmückten Bäumen und den aufwendig zubereiteten Festmählern sein, als eine Band, die musikalisch bewusst einen äußerst limitierten Anschein erweckt, zwischen NDW und Schlager pendelt, mit komisch-anstößigen Texten aneckt und sich nach Schnitzel mit Pommes und Mayo/Ketchup benannt hat?

Schnipo Schranke sind Daniela Reis und Friederike "Fritzi" Ernst, die sich an der Musikhochschule Frankfurt kennenlernten, dann Studium-Abbuch und Bandgründung wählten und die Aufmerksamkeit von Rocko Schamoni, Frank Spilker (Die Sterne) oder auch Ted Gaier (Goldene Zitronen) weckten, die das Duo förderten, mit auf Tournee nahmen bzw. produzierten. Ihr Lied "Pisse" wurde letztes Jahr von der intro zum Song des Jahres gewählt und landete auch beim Musikexpress in den Top Ten, über das dazugehörige Album "Satt" wurde im Herbst in allen relevanten Medien (von taz und Jungle World über Spiegel und Welt bis hin zu ARD und ZDF) berichtet und Schnipo Schranke konnten sich letztendlich sogar über eine Platzierung in den deutschen Charts (#63) freuen. 

Top 63, da braucht es bei Platten vor Gericht am Jahresende einen Durchschnittswert von über 7,0 Punkten - ob Schnipo Schranke diesen erreichen werden?




Nach ihrem durchschlagenden, weil drastischem Indie-Hit „Pisse“ aus dem vergangenen Jahr setzten Daniela Reis und Fritzi Ernst nun auch auf Albumlänge alles daran, zu zeigen, dass man auch völlig unpolitisch über Sex, Sackhaare, Intimhygiene, durchsoffene Nächte und peinlichen Liebeskummer singen kann. „Wir schreiben Zeile um Zeile aus purer Langeweile“, heißt es im „Schnipo Song“, der direkt auf ein kurzes Intro folgt und als eine Art Eröffnungs- oder Erklärstück die eigene Musik als „neue Schule“ abfeiert. Und weil es so viel Spaß macht für alles und gar nichts zu stehen, singen sie gleich weiter: „Wir spielen nicht aus Vergnügen. Wir wollen, dass sie uns lieben.“ Klar, „Fame“ ist das erklärte Ziel, nicht aber ohne dabei auch noch mit irrsinnigem Witz und schamloser Ironie auf die Leute loszugehen. Und so bekommt man beim Hören der munter-rotzigen Songs im eigentümlichen Spannungsfeld zwischen Schlagzeug, Keyboard, Blockflöte und ausgelassenen Wortspielen vor allem ausgesprochen gute Laune. Ohne dass man immer genau weiß, woher diese Heiterkeit rührt.
Der Unterhaltungswert der Songs schaukelt nämlich wirklich wunderbar unentschieden zwischen „Feuchtgebiete“, Krawall-Schlager, Mädchenkram und HipHop-Protzerei. Dass dabei genauso gut verquere Liebeserklärungen herauskommen können („Ohne dich schaff’ ich es nicht mal mehr zu Aldi und danach wieder hierher“) wie trashige Sexfantasien („Selbst der Mann im Mond holt sich auf uns munter einen runter“), dass die Körperflüssigkeiten in den Texten mal müffeln und es dann wieder um Obstsalat geht und dass man über Sauereien so unaufgeregt-spröde singen kann wie über einen Topfhandschuh – in all dem zeigt sich auf erfrischende Weise, wie man sich über die Realität, die man besingt, gleichzeitig lustig machen und es trotzdem ganz ernst meinen kann: Weil das Leben die schönste Tragikomödie ist.
(musikexpress)




Die seltsam formalisiert wirkenden Songs aus Klavier, Schlagzeug und ein paar Tönen aus dem Synthesizer, bei denen sich jede Zeile auf die nächste reimt, sind dabei so unverwechselbar Schnipo Schranke, dass man nach dieser Band auch gleich ein eigenes Musikgenre benennen könnte.
Die zwölf Songs handeln dabei ausschließlich von den beiden Musikerinnen selbst. Von ihrer Bocklosigkeit, ihrem Sex, ihren Beziehungen. Mit einem unverschämten Witz und einer schon brutalen Ehrlichkeit, bei der sicher nicht mehr jeder dabei sein will. Und das ist richtig so, denn provokante Kunst, die dann doch alle cool finden, ist scheiße. Die Schönheit des Drastischen, das Irritierende der Ehrlichkeit, die Erhabenheit des Kaputten und the power of real love ergeben ein Album, wie es bisher noch kein vergleichbares gegeben hat. Da kommt der Ruhm von ganz allein.
(intro)


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