Mit schulterlangen Haaren, Schlaghose und passender Weste sowie Retro-Mikrofon (mit Kabel) - so stelle ich mir Stua...

Belle & Sebastian - Girls In Peacetime Want To Dance























Mit schulterlangen Haaren, Schlaghose und passender Weste sowie Retro-Mikrofon (mit Kabel) - so stelle ich mir Stuart Murdoch vor, während er "The Everlasting Muse" performt. Platziert in der ZDF-Hitparade, ca. 1976, von Dieter Thomas Heck angekündigt als "der Stuart, der Murdoch", und beim Klezmer-artigen Refrain fängt das Publikum eifrig an mitzuklatschen. Einige schunkeln sogar.

Belle & Sebastian haben auf ihrem neunten Album noch mehr Überraschungen parat, die Traditionalisten erschrecken und verschrecken könnten. Bereits die tanzbare Vorab-Single "The Party Line" zeigte an, dass es die Glasgower mit dem Albumtitel "Girls In Peacetime Want To Dance" ernst nehmen. "Enter Sylvia Plath" ist überraschend elektronisch und Synthie-lastig wie "Electronic Renaissance" auf ihrem ersten Album "Tigermilk", steht dem Europop jedoch wesentlich näher. Auch das über 7-minütige "Play For Today", auf dem wir Dee Dee Penny von den Dum Dum Girls hören und das man eher auf einem Album der Pet Shop Boys vermutet hätte, darf sich das Etikett Disco anheften.

Das von Sarah Martin gehauchte "The Power Of Three" wäre, gesungen von Tony Hadley, ein sicherer Hit für Spandau Ballet in den Zeiten der New Romantics gewesen. Nur ein Saxofon-Solo hat man uns erspart. Und wenn wir gerade bei den Titeln sind, die nicht von "der Stuart, der Murdoch" gesungen werden, dann muss kurz eingeschoben werden, dass Stevie Jackson leider einmal wieder den schwächsten Song ("Perfect Couples") beisteuert.

Alle Fans von Belle & Sebastian dürfen sich jedoch auch auf eine Vielzahl an typischen Songs freuen. Egal ob "Nobody's Empire", "Allie" oder "Ever Had A Little Faith?" - alle genau so toll wie erhofft. Und damit wird "Girls In Peacetime Want To Dance" zu einem sehr abwechslungsreichen Album und zu einem der spannendsten der Band. 


Das neue Belle-And-Sebastian-Album hat wie immer viele schöne Momente und riskiert einen überraschenden ästhetischen Bruch. Mehrere Stücke reißen aus dem Donovan-Felt-Bacharach-Korsett aus und klingen nach astreinem Europop. Wir hören hysterische Filter am Anfang von »The Party Line«, Pet-Shop-Boys-artige Fanfaren in »Enter Sylvia Plath« und cheesy Der-Morgen-danach-Ermattung in »Play For Today«. Ob es die weltweiten Fans von Belle And Sebastian schätzen, dass ihre Lieblinge »mal was Anderes« ausprobieren, oder doch lieber Verrat wittern? Indiespießer werden sich bestimmt in den Netzwerken zu Wort melden, aber das Murren und Maulen lässt sich leicht kontern. Schon Bands wie New Order, Bis oder Saint Etienne flüchteten aus den Zwängen des existenziellen Bescheidwissens auf den basisdemokratischen Dancefloor der Urlaubsdisco. Und wer Stuart Murdoch schon einmal tanzen gesehen hat, weiß, dass er Twee-Pop nie mit Körperlosigkeit verwechselt hat.

Außerdem ist das alte Vokabular auf Girls In Peacetime nicht verschwunden. Belle And Sebastian sind weiterhin auf der niemals endenden Suche nach dem perfekten Popsong, wobei Murdochs glockenhelle Stimme immer noch den Kontakt nach ganz oben pflegt. Der Ex-Hausmeister einer Kirchengemeinde verleiht der Popidee namens Zeitlosigkeit gerne einen transzendenten Glanz, der profane Kirchentagshaftigkeit nicht scheut. Die bekannten Referenten Music-Hall-Geschunkel und Schaffel-Boogie (in »The Book Of You«, das an das alte »White Collar Boy« erinnert) bleiben erhalten. Und das großartige »Perfect Couples« startet mit einem tribalistischen Rave-Groove und landet über barocke Winkelzüge bei einem Northern-Soul-Stomper. Für Kontinuität in der Diskontinuität stehen zudem filmmusikalische Atmosphären und Teetischsinfonien wie das barocke »Today This Army Is For Peace«. Und doch ist Europop auf diesem sehr diversen Album mehr als nur eine Lockerungsübung. Die Band artikuliert ein Aufbegehren gegen die eigene Musealisierung in der Twee-Vitrine. Belle And Sebastian wollen mehr anbieten als Silver-Ager-Pop. Und das darf man einer Band von forty-somethings schon hoch anrechnen.
(Spex)




There are no pop sell-outs here – though, true, there’s a sheen to The Party Line, and an almost Arcade Fire gloss on the breathtaking duet, Play For Today; Enter Sylvia Plath is traditional disco. But all the positives come from more than just knob-twiddling. This is a confident, self-assured record that’s cohesive too. Sarah Martin’s voice finally clicks with the band’s ethos, eclipsing Isobel Campbell for good. Stuart Murdoch, ever the pop archivist, flits between the confessional and the motivational with his lyric sheet, somehow managing never to overshadow proceedings. 
This is Belle & Sebastian at export strength. Ever Had A Little Faith could be from the 3.. 6.. 9 Seconds Of Light EP, while closer Today (This Army’s For Peace) charts a newly subdued, almost submerged, territory. After two or three misfires and a couple of red herrings in the form of soundtracks, this band could be unstoppable once more… Terrible sleeve, though. 
(Record Collector)




9 Kommentare:

  1. Ja, stimmt! Perfect Couples ist wirklich das schlechteste Stück. Aber außer dem und Today gefallen mir (Traditionalisten) alle Stücke gut. Das hätte auch ganz anders ausgehen können!

    Allie und Nobody's Diary sind großartig, allerdings gefallen mir auch Sylvia und das Lion King Stück ausgezeichnet. Trotz der Euro- (oder Afro-)Disco.

    Lieder wie The Book Of You und The Party Line gewinnen mit jedem Hören. Der Refrain bei Party Line gegen Ende ist klasse, da ist mir der langweiligere Beginn egal.

    Überraschend gut geworden, das graue Album!

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  2. Ach so: Live hatten B&S im Herbst Allie, Perfect Couples und The Party Line schon gespielt. Auf Platte bestätigte sich mein erster Live-Eindruck.

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  3. We came to Dance! Lange nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Ganz nett, die elektronischen Ausflüge. "Enter Sylvia Plath" und "Perfect Couples" sind schöne Anspieltipps. 6,5 Punkte.

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  4. So richtig warm werde ich auch nach mehrmaligem Hören nicht mit dem Album. Es gibt viele schöne Songs darauf. Im Kopf bleiben mit aber leider immer zwei, drei experimentelle Passagen, die sich wie ein Schatten über das Album legen. Generell find ich's gut, wenn Bands was ausprobieren. Im Fall von Belle & Sebastian gefällt's mir nur bedingt. Jammern auf hohem Niveau: 7 Punkte.

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  5. Gar nicht so anders wie überall behauptet wird. Und besser als zuletzt. Von mir aus hätte das gerne noch etwas mehr in Dance/Disco/Pet Shop Boys Richtung gehen können.

    8 Punkte

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  6. Wegen der Dance/Disco/Pet Shop Boys Momente nur 7,5 Punkte

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  7. Trotz Synthie-Einlagen komme ich noch auf 8 Punkte.

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