Bereits vor fast 5 Jahren hatte Soko (oben rechts im Bild) mit "I'll Kill Her" einen klitzekleinen Hit, der es verdient gehab...

Soko - I Thought I Was An Alien























Bereits vor fast 5 Jahren hatte Soko (oben rechts im Bild) mit "I'll Kill Her" einen klitzekleinen Hit, der es verdient gehabt hätte ein großer zu sein. Sie veröffentlichte mit "Not Sokute" eine erste EP, tourte auch durch Deutschland, ging 2008 in die USA und irgendwo dort verloren. Ihre Homepage meldete zu einem Zeitpunkt, da man mit ihrem ersten Album rechnen konnte, das Aus von Soko und ihren Abschied von der Musik.

Doch dann tauchten nach Jahren plötzlich Lebenszeichen in Form von Clips auf Youtube und Meldungen über erneute Auftritte auf. Und vor einigen Wochen kam dann die Ankündigung ihres Debütalbums, bei der man aber erst einmal recherchieren musste, ob mit "Soko" tatsächlich "Soko alias Stéphanie Sokolinski" gemeint war. War sie.

Freitag erschien "I Thought I Was An Alien" und im Vergleich zur ersten EP ist mit dem starken französischen Akzent auch ein wenig das Schräge, Versponnene und Kiecksige verloren gegangen. Ausnahmen bilden hier das eröffnende "I Just Want To Make It New With You", das klingt wie eine frühe LoFi-Aufnahme von CocoRosie, und das abschließende "You Have A Power On Me", einem Experiment in schrägem Gesangsstil und Xylophon-Freistil.
Die 13 dazwischen befindlichen Songs klingen getragen, melancholisch und depressiv. Die ersten Textzeilen lauten passender Weise:
You will discover me through my songs
learn my heartbreaks and fears and depression
hear all the cracks and the lack of talent
and i hope that you don't hate me by then


Im Vordergrund steht stets Sokos Stimme und ihre persönlichen Geschichten und Bekenntnisse, die nicht umsonst Titel tragen wie "We Might Be Dead By Tomorrow", "No More Home, No More Love" oder "I've Been Alone Too Long". Auf der zweiten Klang-Ebene hören wir meist ruhige Gitarrenparts und ganz weit im Hintergrund Rauschen, Gesprächsfetzen, verwehte Orgelklänge, bedeutungsschwangeren Chorgesang oder dezente Streicher. Aus diesem Konzept fallen "First Love Never Die" mit seinen mehrmaligen Casiotone-Rhythmuswechseln und "Don't You Touch Me", bei dem Schlagzeug und E-Gitarre einmal in die Vollen gehen dürfen, ein wenig heraus. Mit brüchiger Stimme singt Soko in "I've Been Alone Too Long" und gospelartiger Chorgesang und imposante Paukenschläge unterstreichen den düsteren Text im letzten Drittel melodramatisch.
Die 25-jährige hat ein Problem, mindestens. Ihr Album ist aber keins, sondern New- oder Freak-Folk, wie man ihn sich wünscht. Der Hörer erlebt einen Seelen-Striptease in Moll und nimmt der jungen Französin jedes Wort ab. Von den 15 Titeln möchte ich auf keinen (außer dem letzten) mehr verzichten.



In Los Angeles lernte sie den gutmütigen Toningenieur Fritz Michaud kennen, der mit dem verstorbenen Songwritergenie Elliott Smith an dessen letztem Album arbeitete. Die 15 vornehmlich ruhigen, schwelgerisch-verträumten Stücke auf 'I Thought I Was An Alien' erinnern an den manisch-depressiven Songwriter Daniel Johnston, ein großes Idol von SoKo. Man hört die Spielzeugklangwelten von CocoRosie, - wenn man will - eine Flüster-Variante von Feist und ganz sicher auch bisschen Nico. Doch wer SoKo nur als geschmackvolle Nachahmerin bezeichnet, wird ihrem besonderen Ausdruck nicht gerecht. Ihr englischer, mit hörbarem Akzent vorgetragener Gesang nimmt gefangen, weil ihre Texte ziemlich direkt von ihren Gefühlen und Gedanken erzählen.
So etwa in 'Happy Hippie Birthday', einer musikalischen Liebeserklärung an einen deutlich älteren Ex-Freund SoKos, in dem die 25-Jährige ohne Hemmungen ihr ganzes Leben preisgibt. Diese extreme Durchlässigkeit im Songwriting führt in der Kombination mit SoKos anrührenden Balladenkompositionen zu etlichen Highlights auf diesem Werk. So etwa der Titelsong, welcher an 'Sunday Morning' von Velvet Underground erinnert. Auch die ultrafragilen Balladen 'We Might Be Dead', 'For Marlon' oder die mit vielen 'Uuuuhhuuus' ausgestatteten Breitbandtröster 'First Love Never Dies' oder 'How Are You' sind wunderbare Produkte musikalisch fein verarbeiteter Melancholie. Wer SoKo hört, hat den Eindruck, besonderen Momenten beizuwohnen. Was auch daran liegen mag, dass jedes ihrer Lieder an einen bestimmten Menschen gerichtet ist - in etwa wie ein persönlicher Brief. Viel mehr Nähe geht nicht - und wäre wohl auch kaum zu ertragen.

Soko auf Tour:

31.03.2012 Berlin, Privatclub
01.04.2012 München, Ampere
02.04.2012 Wiesbaden, Schlachthof
03.04.2012 Köln, Gebäude 9
04.04.2012 Hamburg, Molotow

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